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Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Todesnacht: Island-Thriller (German Edition)

Titel: Todesnacht: Island-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ragnar Jónasson
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plötzlich: »Was haben Sie eben gemeint?«
    Ísrún stutzte.
    »Sie haben eben gesagt, ich sei nicht sein erstes Opfer gewesen«, sagte Móna mit entschlossener Stimme.
    »Das stimmt. Er hat mich auch vergewaltigt«, platzte Ísrún heraus, musste es laut aussprechen, bevor sie die Gelegenheit hatte, ihre Meinung zu ändern. Es war seltsam, den Klang ihrer Worte zu hören. Endlich hatte sie die Kraft gefunden, jemandem davon zu erzählen. Nach zahllosen schlaflosen Nächten, den vielen Albträumen. Eineinhalb Jahre waren inzwischen vergangen, und Ísrún wusste nicht, wann sie endlich darüber hinwegkäme. Seitdem hatte sie keinen Mann mehr an sich herangelassen. Der Gedanke ekelte sie an.
    Ísrúns Antwort war für Móna wie ein kalter Wasserguss. Sie riss die Augen auf.
    »Er hat Sie auch vergewaltigt?« Sie schien ihren eigenen Ohren nicht zu trauen. Dann kam die Frage, vor der sich Ísrún gefürchtet hatte: »Und warum lief er dann noch frei herum?«
    »Ich habe niemandem davon erzählt, bis jetzt. Ich fühlte mich so schlecht«, erklärte sie und versuchte, nicht in Tränen auszubrechen. Es war nicht ihre Art, zu weinen. »Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, zur Polizei zu gehen und darüber zu reden. Das war natürlich ein Fehler, das weiß ich jetzt.«
    »Verdammt nochmal!«, rief Móna und stand auf. »Sie hätten mich retten können!« Doch sie beruhigte sich schnell wieder. »Entschuldigung, ich verstehe natürlich am allerbesten, wie Sie sich gefühlt haben«, sagte sie mit brüchiger Stimme.
    »Das ist eine schreckliche Erfahrung, die man mit niemandem teilen will. Aber Sie müssen sich darüber klarwerden, ob Sie der Polizei erzählen wollen, was er Ihnen angetan hat – und was Jökull und Logi gemacht haben. Das geht mich nichts an, und ich werde es nicht melden«, sagte Ísrún, verwundert über sich selbst.
    Sie wollte diesen Auftrag unbedingt übernehmen, um aufzudecken, was Elías für ein Mensch war. Wollte sich an ihm rächen, etwas Negatives über ihn ans Licht zerren und es in den Nachrichten aufblähen. Zahn um Zahn. Dennoch wollte sie niemandem erzählen, was er ihr angetan hatte.
    »Danke«, sagte Móna mit unsicherer Stimme.
    »Bitte behandeln Sie das, was ich Ihnen erzählt habe, vertraulich«, sagte Ísrún zögernd.
    »Wann ist es passiert?«
    »Letztes Jahr im Januar. Ich wohnte in Akureyri, habe da gearbeitet. Ich bin abends ausgegangen, und dieser Mann, den ich überhaupt nicht kannte, ließ mich nicht in Ruhe. Dann folgte er mir aus dem Saal in den Flur, zog mich zur Seite … in irgendeine verdammte Abstellkammer … und …« Sie seufzte, konnte es nicht in Worte fassen. »Ich habe genauso reagiert wie Sie. Habe nichts gesagt. Konnte mir nicht vorstellen, in Akureyri wohnen zu bleiben und bin bei der ersten Gelegenheit nach Reykjavík gezogen und habe wieder in der Redaktion angefangen.«
    »Und dann bekamen Sie den Auftrag, einen Beitrag über ihn zu machen, das muss ein Schock gewesen sein«, sagte Móna, die aufgehört hatte zu weinen.
    »Nein, ganz so war es nicht.« Ísrún schwieg einen Moment und beschloss dann, reinen Tisch zu machen. Móna würde sich nicht bei Ívar oder ihrer Chefin über sie beschweren. »Nach der Vergewaltigung bin ich, wie gesagt, nicht zur Polizei gegangen. Ich wusste nicht, wie der Mann hieß, und wollte es auch gar nicht wissen. Ich wollte das alles so schnell wie möglich vergessen. Aber natürlich konnte ich weder den Vorfall, noch den Mann vergessen. Ich träume fast jede Nacht von seinem Gesicht. Gestern kam dann die Meldung, dass ein Mann tot im Skagafjörður aufgefunden wurde. Ich hatte gerade Dienst, kriege aber normalerweise nicht so spannende Aufgaben.« Sie versuchte zu lächeln. »Aber das ist eine andere Geschichte. Wie üblich wurde sein Name in der Redaktion schnell bekannt, und ich habe nebenbei nach ihm gegoogelt. Und dann sah ich ein Foto von ihm. Das Foto eines Mannes, den ich kannte. Sie können sich ja vorstellen, wie ich reagiert habe.«
    Móna nickte und wischte ihre Tränen weg.
    »Es bestand kein Zweifel, dass das der Mann war, der mich vergewaltigt hatte … Elías Freysson. Erst war ich wie erstarrt, dann wurde ich aber furchtbar wütend. Ich wollte mich an ihm rächen. Dieses verdammte Schwein war tot, deshalb konnte ich ihn nicht mehr umbringen, aber ich konnte das Einzige, was er noch besaß, zerstören. Seinen Ruf. Nach kurzer Recherche zweifelte ich nicht mehr daran, was für ein Mensch er war. Er hatte

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