Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
Vom Netzwerk:
Anruf ins Bett gesteckt, und der Chief und ich waren danach noch eine ganze Weile auf und haben getrunken, geredet …» Er unterbrach sich unvermittelt, und es wurde still in der Diele. Beth Hardy stand mit ausdrucksloser Miene da, als hätte jemand bei ihr den Pausenknopf gedrückt.
    «Beth?» Die texanische Stimme klang jetzt sanfter, als sie wieder aus dem Lautsprecher drang. «Beth, Joe hat seine Brieftasche gestern Abend noch gehabt. Er hat uns das Foto von dir vor den Minnehaha Falls gezeigt. Großer Gott!»
    Beth schloss die Augen.
     
    Wie viele Zimmer ein Haus auch hat, es gibt doch immer eines, in dem sich das eigentliche Leben abspielt. Bei den Hardys war das ein gemütliches Wohnzimmer mit einer behaglichen Couchgarnitur aus Leder, einem großen Fernseher und zahllosen persönlichen Gegenständen: Familienfotos, Auszeichnungen und lauter Krimskrams, dessen Wert nur für die Bewohner sichtbar ist und für sonst niemanden. Ein behaglicher, familiärer Zufluchtsort. Alle Hinterbliebenen eines Verbrechens gingen mit der Polizei grundsätzlich in das Zimmer, in dem sie sich besonders sicher fühlten.
    Magozzi registrierte das gerahmte Foto eines kräftigen Mannes in der Galauniform der Marines, der seine medaillenbewehrte Brust stolz ins Bild reckte. Trotz der dreißig, vierzig Kilo, die er seit der Aufnahme verloren hatte, erkannte man ihn sofort: Das Foto zeigte den kerngesunden Joe Hardy. Auf weiteren Bildern war er mit zwei älteren Männern zu sehen; der eine groß und hager, der andere deutlich breiter, mit einem langen grau melierten Zopf und den markanten Gesichtszügen, die auf eine indianische Abstammung hinwiesen. Und immer stand das Trio vor dem einen oder anderen toten Tier, Jagdgewehre in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht. Das mussten Joes Jagdgefährten sein.
    «Bitte setzen Sie sich doch, Detectives.» Beth deutete auf das Sofa und sank selbst in den Clubsessel gegenüber. Der Beistelltisch war leer bis auf eine Zierdose aus Bambusholz, in der sich eine Schachtel Taschentücher verbarg – ein anrührendes, vielsagendes Detail. Wenn die Lebensumstände zum häufigen Weinen zwangen (und eine Krebserkrankung hatte nun mal eine solche Auswirkung auf die Tränendrüsen), integrierte man die unerlässlichen Utensilien eben in die Inneneinrichtung.
    Obwohl Beth Hardy sich wie der Inbegriff der perfekten Soldatenfrau verhielt – sie war tapfer, weinte nicht, stand aber mit Sicherheit unter Schock, weil ihr Mann nun einer Kugel und nicht dem Krebs erlegen war –, zog sie gleich mehrere Taschentücher aus der Schachtel, zerknüllte sie in der Hand und befingerte sie wie einen Rosenkranz. Eine Stütze aus dem Drogeriemarkt – wie oft hatten Magozzi und Gino so etwas schon gesehen. «Bitte sagen Sie mir, was passiert ist, Detectives. Ich bin gerade sehr durcheinander.»
    Magozzi beugte sich vor. «Heute am frühen Morgen wurden wir an einen Tatort gerufen, Camden Drive 642. Dort fanden wir Ihren Mann und zwei weitere Männer tot vor dem Haus. Alle drei waren bewaffnet. Natürlich müssen wir noch das Ergebnis der ballistischen Untersuchung abwarten, aber wir gehen davon aus, dass sie sich gegenseitig erschossen haben.»
    Beth nickte zögernd. «Joe hatte immer eine Waffe bei sich. Er war im Riverside-Krankenhaus wegen Bauchspeicheldrüsenkrebs in Behandlung, und das Viertel war ihm nicht ganz geheuer.»
    Dafür hatte Gino großes Verständnis. «Sagt Ihnen diese Adresse am Camden Drive etwas? Hat Joe sie vielleicht mal erwähnt?»
    «Nein. Ich weiß nur, dass das in der Nähe vom Krankenhaus ist. Ich bin selber in der Gegend aufgewachsen, genau wie Joe.» Ihr Blick wanderte zum Fenster. «Ich weiß wirklich nicht, was er da wollte. Das passt doch alles nicht zusammen.»
    «Fällt Ihnen irgendein Grund ein, warum Ihr Mann so überstürzt nach Minneapolis zurückgekehrt sein könnte? Vielleicht ein Termin bei seinem Arzt?»
    Sie schüttelte nachdrücklich den Kopf. «Da hätte er mich vorher angerufen. Und seinen Freunden Bescheid gesagt. Und wenn sich sein Zustand wirklich so stark verschlimmert hätte, dann hätte er doch ein Krankenhaus in der Nähe von Elbow Lake aufgesucht.» Beth Hardy senkte den Blick auf ihren Schoß, betrachtete die traurigen, länglichen Fetzchen des zerrissenen Papiertaschentuchs, die dort lagen. «Und wenn er zur Behandlung gewollt hätte, hätte er auch nicht am Camden Drive geparkt. Das Auto stand immer auf dem Krankenhausparkplatz.»
    Gino und Magozzi

Weitere Kostenlose Bücher