Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesnähe

Todesnähe

Titel: Todesnähe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. J. Tracy
Vom Netzwerk:
an. Was für ein tolles Tier!»
    Der Ansicht war Magozzi allerdings auch – der Bär war tatsächlich schön und eindrucksvoll, majestätisch sogar. Doch dann erhob sich das Vieh auf die Hinterbeine, richtete sich zu seiner vollen Größe von fast zwei Metern auf und gab ein ausgesprochen böses Geräusch von sich. Auf Bärensprache hieß das wohl nichts anderes als: «Raus aus meinem Wald, aber ein bisschen plötzlich!»
    «O Gott!» Gino vergrub sich tiefer in seinen Sitz. «Er wird uns töten. Da habe ich den Flug überlebt, und jetzt werde ich von einem Bären gefressen …»
    «Er wird Sie nicht fressen», erwiderte Claude zuversichtlich. «Sie haben ihm doch gerade das Leben gerettet, ich hätte ihn sonst womöglich überfahren. Sie haben was gut bei ihm.» Damit legte er den Gang ein und ließ den Wagen langsam weiterrollen.
    Sowohl Gino als auch Magozzi balancierten auf einem schmalen Grat zwischen Heidenangst und heimlicher Faszination, während sie den Bären im Schein der Rücklichter weiter beobachteten. Er ließ sich wieder auf alle viere sinken, trottete in die Mitte der Fahrbahn und erhob sich dann in einer letzten Drohgebärde noch einmal auf die Hinterbeine.
    «Einen Bären aus solcher Nähe zu sehen ist etwas ganz Besonderes», sagte der Chief. «Ich hoffe, es hat Ihnen gefallen.»
    «Klar.» Gino rang immer noch nach Luft. «Echt was Besonderes. Kommt das oft vor?»
    «Nicht besonders oft. Normalerweise sind sie sehr scheu und tun einem auch nichts, wenn man ihnen nicht gerade im Weg ist oder sie sich bedroht fühlen. Die meisten zumindest.»
    «Die meisten?»
    «Na, schwarze Schafe gibt es immer. Genau wie beim Menschen, nur dass ein Bär sehr viel berechenbarer ist.»
    «Amen», sagte Claude. «Aber jetzt wissen Sie zumindest, dass in den Wäldern hier einiges herumläuft, dem Sie nicht unbedingt unverhofft begegnen wollen. Falls Ihnen also nach einem Spaziergang sein sollte, müssen Sie sich entsprechend ausrüsten. Diese Spielzeugpistolen, die Sie bei sich haben, helfen Ihnen da nämlich nicht weiter.»

[zur Inhaltsübersicht]
KAPITEL 39
    D ie Jagdhütte war ganz anders, als Gino und Magozzi erwartet hatten. Bis auf den Umstand, dass draußen im Wald hochgefährliche wilde Tiere lauerten, die nur darauf warteten, nichtsahnende Touristen zu zerfleischen, wirkte sie kein bisschen rustikal. Magozzi fühlte sich eher an ein teures Ski-Chalet erinnert, das aus Aspen oder Telluride entwendet und hierher in die Wildnis im äußersten Norden Minnesotas verpflanzt worden war. Nicht dass er je selbst an einem dieser Orte gewesen wäre, aber er hatte in den Hochglanz-Promimagazinen, die bei seinem Zahnarzt im Wartezimmer lagen, Fotos davon gesehen.
    Claude und der Chief führten sie in ein Zimmer von eindrucksvollen Ausmaßen, das ganz in Naturstein, Glas und glänzendem Holz gehalten war. Von den Wänden blickten etliche ausgestopfte Tierköpfe mit ihren Glasaugen anklagend auf sie herab. Magozzi hatte sich nie viel aus ausgestopften Tieren gemacht, wenn es sich nicht gerade um den Truthahn an Thanksgiving handelte, aber von der taxiderdermischen-Komponente einmal abgesehen, konnte man es hier durchaus aushalten. «Sehr schön.»
    «Ein Stück vom Paradies, keine Frage.» Claude trat an die Bar und stellte vier Whiskey-Tumbler auf der Granitplatte bereit. «Möchten die Herren vielleicht ein bisschen auftanken?»
    Gino und Magozzi wechselten einen Blick, dann nickte Gino. «Ja, gerne, vielen Dank.»
    Claude lächelte zufrieden. «Wir sollten auf Joey anstoßen. Er würde sich sicher freuen, wenn er wüsste, dass Sie mit uns auf sein Wohl trinken. Der Junge hatte eine Schwäche für Whiskey. Zumindest, als er ihn noch vertrug …» Seine Stimme verdampfte wie ein Tropfen Wasser auf einer heißen Herdplatte.
    «Nehmen Sie die Gläser doch mit ins Esszimmer», brach der Chief das Schweigen wieder. «Es gibt Chili con Carne, jeden erdenklichen Aufschnitt, den man sich auf ein Sandwich packen kann, und ein paar Männersalate, die Noya für uns gezaubert hat.»
    «Was sind denn Männersalate?», wollte Gino wissen.
    «Die sind nur aus Kohlenhydraten. Nudeln, Kartoffeln. Kein Grünzeug.»
    «Hört sich gut an. Und wer ist Noya?»
    «Meine Frau», sagte der Chief.
    «Warum ist sie nicht auch hier?»
    «Ach, sie kommt nach Möglichkeit nicht mit her. Zu viel Testosteron, sagt sie immer.»
    Sie blieben so lange am Esstisch sitzen, dass Gino beträchtliche Krater in die verschiedenen Schüsseln schlagen

Weitere Kostenlose Bücher