Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
schluckte er wie eine giftige Kröte hinunter. »Du wirst doch bestimmt
mit Werbemails überschwemmt, nehme ich mal an. Schließlich müssen sich die Betreiber
dieser Communitys auch irgendwie finanzieren. Und zwar anscheinend gar nicht schlecht,
wie ich gestern gelesen habe. Das weltgrößte soziale Netzwerk soll angeblich 60
Milliarden US-Dollar wert sein. Das ist doch der pure Wahnsinn!«
»Dieser
Wirtschaftskram interessiert mich nicht die Bohne«, gab Petra Flockerzie scharf
zurück.
»Sollte
es aber, meine Liebe, denn diese Leute machen ihren riesigen Reibach mit euren persönlichen
Daten.«
Die übergewichtige
Sekretärin zuckte zusammen und warf eine Hand vor den Mund. »Ach Gott, Chef«, stieß
sie entsetzt aus, »ich hab ja völlig Ihren Termin beim Oberstaatsanwalt vergessen.
Sie sollten eigentlich schon vor fünf Minuten bei ihm im Justizzentrum sein.«
»Ich hab
aber weder Zeit noch Lust auf den Hohl-Hohl-Hollerbach. Sei so lieb, ruf ihn an
und sage ihm, du hättest es bis eben probiert, aber ich sei einfach nicht zu erreichen.
Den aufgeblasenen Lackaffen ertrage ich heute wirklich nicht.«
»Nur heute?«,
fragte Petra Flockerzie mit einem verschmitzten Lächeln und griff zum Telefonhörer.
Punkt 14 Uhr eröffnete Tannenberg
die Dienstbesprechung. Sabrina und Michael Schauß waren inzwischen von ihrer Fortbildung
zurück. Kriminalhauptmeister Geiger hatte sich im Archiv mit einem Berg alter Vermisstenakten
eingedeckt, die er begleitet von einem leidvollen Stöhnen auf dem Schreibtisch des
Kommissariatsleiters platzierte.
Zuerst informierte
Tannenberg in komprimierter Form seine Mitarbeiter über den Handtaschendiebstahl,
den Einbruch in Mariekes Wohnung, den Leichenfund und die Vermisstensache Jessica
Hellmann. Dann heftete er Pappkärtchen an die Pinnwand, die er zuvor mit den persönlichen
Daten des Mordopfers und der vermissten Studentin beschriftet hatte.
»Warum hast
du eigentlich noch keine groß angelegte Suchaktion ausgelöst?«, fragte Sabrina Schauß.
»Die Joggerin könnte schließlich auch irgendwo im Wald gestürzt sein und sich dabei
eine schwere Kopfverletzung zugezogen haben. Vielleicht liegt sie seit vielen Stunden
hilflos im Dickicht.«
Tannenberg
schüttelte den Kopf. »Obwohl mir das ziemlich unwahrscheinlich erscheint, rufe ich
nach unserer Dienstbesprechung ihren Freund an. Und wenn sie sich noch immer nicht
bei ihm gemeldet hat, schicken wir eine Hundertschaft Kollegen und die Hundestaffeln
in den Wald. Ich hab bereits mit der Polizeischule in Enkenbach telefoniert. Die
stehen auf Abruf bereit.«
»Und was
ist mit einem Zeugenaufruf in der Zeitung? Haben Sie wenigstens den schon veranlasst?«,
mischte sich der Kriminalhauptmeister ein. »Jeder Hinweis kann für uns wichtig sein.«
»Das wissen
wir doch alle, Geiger. Trotzdem beschäftigen wir uns damit auch erst nachher. Aber
ich kann dich beruhigen: Selbstverständlich werden wir der Presse ein Foto von Jessica
Hellmann mailen und die Bevölkerung um Mithilfe bei der Suche nach der vermissten
Studentin bitten. Zufrieden?«
Geiger nickte
knapp.
Der Leiter
des K 1 schnäuzte sich geräuschvoll die Nase. »So, jetzt aber zurück zur Ermordung
des Joggers. Da wir nun alle auf demselben Wissensstand sind, möchte ich gerne eure
Meinungen und Spekulationen hören. Denkt bitte daran, dass wir zurzeit noch in alle
Richtungen ermitteln.«
»Es könnte
doch auch gut sein, dass es ganz anders war«, meldete sich der diensteifrige Kriminalhauptmeister
erneut zu Wort.
Sein Vorgesetzter
zog verständnislos die Nase kraus. »Was war wie ganz anders?«
»Na ja,
vielleicht hat der ermordete Jogger ja die Studentin überfallen und …«
»Stopp,
Geiger!«, blaffte Tannenberg und gebot ihm mit einer energischen Geste Einhalt.
»Du hast eben eine völlig neue, aber nicht uninteressante Hypothese formuliert«,
kommentierte er den Einwurf.
Ein Lob
aus dem Munde seines Vorgesetzten, der ihn ansonsten immer nur kritisierte und verhöhnte?
Geiger konnte es kaum glauben. Die Gunst der Stunde wollte er unbedingt nutzen,
um den Chef und die Kollegen von seinen enormen kriminalistischen Fähigkeiten zu
überzeugen.
Ihm schoss
vor Aufregung die Röte ins Gesicht. »Die Studentin hat sich zuerst mit dem Elektroschocker
und dann mit dem Messer zur Wehr gesetzt«, legte er nach.
Michael
Schauß verzog den Mund zu einem schiefen Grinsen. »Meinst du wirklich, eine Joggerin
nimmt einen Elektroschocker und ein Stilett mit zum Waldlauf?«,
Weitere Kostenlose Bücher