Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
so eine total abgedrehte Hypothese?«, spottete Michael.
Der Kriminalhauptmeister
zeigte sich von der Polemik seines verhassten Kollegen äußerlich unberührt, doch
in seinem Innern brodelte es gewaltig. »Vielleicht gehört der Einbrecher zu einer
Bande, die auf Volksfesten Handtaschen stiehlt«, spekulierte er. »Und je nachdem,
was diese Verbrecher in den Handtaschen finden, klauen sie dann entweder das Auto
oder sie fahren zu den Leuten nach Hause und räumen deren Wohnungen und Garagen
aus.«
Geiger leerte
mit einem Riesenschluck das Wasserglas. »Die Adressen finden sie schließlich auf
den Personalausweisen der Bestohlenen«, ergänzte er. Nun erhob er sich energisch
und stach mit dem Finger auf den Leiter des K 1 ein. »Ich bin mir sogar ziemlich
sicher, dass es niemand aus Kaiserslautern und schon gar nicht aus Ihrem persönlichen
Umfeld war.«
»Wieso?«,
stellte Sabrina die Frage, die gerade allen im Kopf herumspukte.
Armin Geiger
ließ einen Augenblick verstreichen, bevor er antwortete: »Wer sollte denn so wahnsinnig
sein und ausgerechnet bei der Familie Tannenberg einbrechen? Hier in der Stadt weiß
doch jeder, dass dort ein ranghoher Kriminalbeamter wohnt. Schließlich sind Sie
in der Gegend bekannt wie der berühmte bunte Hund.«
Anscheinend
erwartete Geiger für seinen vermeintlichen Geistesblitz nun brandenden Applaus,
denn er machte keinerlei Anstalten, sich wieder hinzusetzen. Leider tat ihm niemand
den Gefallen.
»Sicher,
zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch so ziemlich alles möglich«, erklärte Tannenberg.
»Unsere uniformierten Kollegen haben inzwischen alle Häuser abgeklappert. Offensichtlich
haben die Anwohner der Beethoven- und der Parkstraße an dem Abend nichts Auffälliges
bemerkt.«
»Das ist
aber merkwürdig, oder?«, stellte Michael in den Raum.
Allseitiges
Schulterzucken.
»Wir sollten
berücksichtigen, dass es Samstagabend war«, brach Sabrina das Schweigen. »Und da
sitzen die meisten Leute stundenlang vorm Fernseher. Was auf der Straße passiert,
interessiert um diese Uhrzeit doch niemanden.«
Geiger nahm
endlich wieder Platz und wischte sich den Schweiß aus seinem Stiernacken. Der Kriminalhauptmeister
stand noch immer gewaltig unter Strom. Er rang die Hände und rutschte dabei so unruhig
auf seinem Stuhl herum, als ob ihm jemand Juckpulver zwischen die Pobacken gestreut
hätte.
»Sag mal,
hast du Hämorrhoidenschmerzen oder was?«, bellte ihn Michael Schauß förmlich an.
Normalerweise
zog Geiger in solchen Kabbeleien stets den Kürzeren, schließlich war er hinsichtlich
Reaktionsschnelligkeit und Rhetorik seinen Kollegen deutlich unterlegen. Deshalb
verzichtete er meist auf eine offene Auseinandersetzung und schmiedete an den ausgefallensten
Racheplänen, von denen er allerdings noch keinen einzigen in die Tat umgesetzt hatte.
Gegen seine
Rolle als Prügelknabe des K 1 hatte er sich lange gewehrt, aber irgendwann arrangierte
er sich damit und arbeitete fortan subversiv. Durch einen Geheimpakt mit Oberstaatsanwalt
Dr. Hollerbach hatte er sogar einen Sonderstatus inne, von dem jedoch niemand etwas
ahnte. Regelmäßig lieferte er Tannenbergs Erzfeind Informationen über die Arbeit
des Kommissariatsleiters. Dafür wurde er von Siegbert Hollerbach mit verbalen Streicheleinheiten
und der Aussicht auf einen Kommissarslehrgang belohnt.
Seit es
dieses Geheimbündnis gab, machte ihm die Arbeit im K 1 wieder viel mehr Spaß. Auch
deshalb, weil er in diesen frustrierenden Jahren strategisch einiges dazugelernt
hatte. In dienstlichen Angelegenheiten verschoss er nicht gleich sein ganzes Pulver,
sondern hielt immer noch eine Patrone in der Hinterhand.
So, Leute,
ihr hattet mal wieder euren Mobbingspaß mit mir, sagte er zu sich selbst. Aber der
gute alte Armin hat wie immer noch einen richtig dicken Trumpf im Ärmel. Schmunzelnd
rieb er sich voller Vorfreude die Hände.
»Was guckst
du denn schon wieder so blöd aus der Wäsche?«, giftet Michael seinen Kollegen an.
»Denkst du wieder an irgendeine Sauerei?«
Seit der
unverheiratete Kriminalhauptmeister Sabrina Schauß mehrmals mit sexistischen Anspielungen
und eindeutigen Angeboten bedrängt hatte, war er für ihren Ehemann ein rotes Tuch.
In letzter Minute hatte Tannenberg vor Kurzem verhindert, dass er ihn verprügelte.
Seitdem knisterte regelrecht die Luft, wenn die beiden Mitarbeiter des K 1 im selben
Raum anwesend waren.
Armin Geiger
schluckte seinen Zorn hinunter und schlenderte zu Tannenbergs Schreibtisch.
Weitere Kostenlose Bücher