Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
über die Wangen und versiegten im Baumwollstoff ihres Sweatshirts.
»Aber warum
bin ich hier in diesem Verlies?«, jammerte sie.
Ihr Schluchzen
wurde lauter und hysterischer.
»Wo bin
ich?«, schrie sie mit sich überschlagender Stimme. »Was willst du von mir?«
Doch niemand
antwortete.
Nach ein
paar Minuten beruhigte sie sich ein wenig und sie konnte wieder einigermaßen klar
denken. Angestrengt versuchte sie, ihr Gedächtnis zu aktivieren.
Woran erinnere
ich mich? Was ist auf diesem Parkplatz passiert? Weil Marieke noch nicht da war,
habe ich zuerst ein paar Dehnungsübungen gemacht.
Nach und
nach kehrten immer mehr Bruchstücke zurück.
In meinem
Rücken habe ich plötzlich ein Auto gehört. Ich dachte, es sei Marieke. Aber es war
ein schwarzer Lieferwagen. Deshalb habe ich nicht weiter auf ihn geachtet und meine
Übungen gemacht. Was passierte dann?
Los, erinnere
dich!, feuerte sie sich selbst an.
Plötzlich
tauchte vor ihrem geistigen Auge ein Schatten auf. Jessica Hellmann konzentrierte
sich, versuchte sich jede Einzelheit in Erinnerung zu rufen. Mehr habe ich nicht
von ihm gesehen. Da war nur noch dieser scharfe Geruch nach Rasierwasser oder Männerparfum.
Dann habe ich einen heftigen, krampfartigen Schmerz im Nacken gespürt. Wie bei einem
Stromschlag.
Die Verzweiflung
packte sie erneut im Genick und rüttelte sie kräftig durch. »Aber warum hast du
ausgerechnet mich entführt, du Mistkerl?«, brüllte sie wie von Sinnen. »Was hab
ich dir getan? Was willst du von mir?«
Ein langgezogenes,
dumpfes Stöhnen wie von einem verendenden Tier dröhnte durch die bleierne Dunkelheit.
»Wenn diese schnuckelige Conny schon
heute Abend mit uns spielen möchte, werden wir uns ein bisschen beeilen müssen,
Theo«, sagte der Spider.
Er nahm
eine Transportbox und streifte seine Spezialhandschuhe über, mit denen er sich vor
den Giftklauen seiner Spinnen schützte. Er schlenderte zu Theos Glaskasten und kniete
sich davor nieder.
»Hast ja
eigentlich recht, mein Lieber. Lass die Maus noch ein bisschen am Leben.« Der Spider
verzog sein Gesicht zu einer hämischen Grimasse. »Wenn du hungrig bist, haben wir
alle drei noch ein bisschen mehr Freude an unserem Besuch bei Jessica, nicht wahr?«
Ächzend
drückte er sich in die Höhe, nahm den Terrariumdeckel ab, hob die Korkhöhle an und
schnappte sich die darunter verborgene Riesenvogelspinne mit einem eingeübten Zangengriff.
Für die
Fahrt zu dem zwischen dem Daubornerhof und Hochspeyer gelegenen ehemaligen Militärgelände
benutzte er nicht den präparierten Kleintransporter mit den abgedunkelten Scheiben
und den gefälschten Nummernschildern, sondern seinen unauffälligen Golf.
Auf seinem
Weg stadtauswärts steuerte er den hinter der 23er-Kaserne gelegenen Einkaufsmarkt
an, der in den letzten Jahren häufiger seinen Namen als die Regalbestände gewechselt
hatte.
Er kaufte
ein Päckchen Rasierklingen und ein Sixpack Mineralwasser. Als er an einer Bäckereifiliale
vorbeischlenderte, überfiel ihn ein regelrechter Heißhunger auf etwas Süßes. Er
ließ sich zwei Berliner einpacken, stopfte sie sich dann aber bereits ein paar Meter
weiter nacheinander in den Mund und schlang sie fast unzerkaut hinunter.
In seinem
Auto spülte er den süßlichen Geschmack mit Mineralwasser die Kehle hinunter. Nach
einem gedehnten Rülpser, der an das Röhren eines brunftigen Rothirsches erinnerte,
fuhr er auf die Mannheimerstraße zurück und passierte das Ortsschild von Kaiserslautern.
Auf der Bergkuppe des Hochspeyerer Stichs bog er in einen in nördlicher Richtung
abzweigenden Forstweg ein.
Fünf Minuten
später erreichte er seinen Zielort, ein ehemaliges Depot der US-Armee, in dem Gerüchten
zufolge zuweilen auch Giftgasgranaten lagerten. Die untergehende Herbstsonne tauchte
den bereits leicht kolorierten Wald in ein mildes Abendlicht, und über dem weitläufigen
Wiesengelände waberten die ersten Dunstschleier.
Die ehemalige
Militäranlage bestand aus mehreren Komponenten: Zum einen aus einem villenähnlichen
Flachdachbau mit Nebengebäuden, in dem die Verwaltung jahrzehntelang ihren Sitz
hatte. In diesem Gebäudekomplex befanden sich zudem Aufenthaltsräume, Zweibettzimmer
und Sanitäranlagen für die Soldaten sowie eine kleine Cafeteria und eine Waffenkammer.
Über diesem
Flachdachgebäude thronte ein etwa zehn Meter hoher, achteckiger Wachturm. Und unter
dem angrenzenden Wiesengelände erstreckte sich eine weitverzweigte Bunkeranlage,
die von außen nicht zu
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