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Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)

Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)

Titel: Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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besänftigen. Er näherte sich ihrem Gesicht bis auf wenige
Zentimeter und hauchte sie an. »Vielleicht empfindest du ja auch mich als eklig
und abstoßend«, zischte er wie eine aggressive Schlange. »Ist das so?«
    Jessica
hielt den Atem an und schüttelte mit weit aufgerissenen Augen den Kopf.
    Die fleischige
Männernase rieb sich an ihrer zarten Wange, während die rauen Hände des Spiders
an den Außenseiten ihrer Oberschenkel nach oben glitten. Doch dann stieß sich Jessicas
Peiniger ruckartig von der Betonwand ab und sagte: »Solch ein abscheuliches menschliches
Verhalten haben diese wunderbaren Gottesgeschöpfe wahrlich nicht verdient. Oder
wie siehst du das?«
    »Nein, das
haben sie wirklich nicht verdient«, kam es gepresst zurück.
    Die riesigen
Pranken bewegten sich erneut auf das Opfer zu. Diesmal tätschelten sie Jessicas
rechten Oberschenkel. Und zwar genau an der Stelle, wo der Spider nur wenige Stunden
zuvor mit der Rasierklinge gewütet hatte.
    Jessica
saugte hörbar Luft durch die geschlossenen Zahnreihen. »Aua«, stöhnte sie auf. »Bitte
nicht noch fester schlagen.«
    »Ach, Kindchen,
ich hab dich doch nicht geschlagen«, höhnte ihr Entführer, entfernte aber die Hand.
»Ich finde es übrigens ausgesprochen erfreulich, dass wir uns so gut verstehen«,
säuselte er.
    Urplötzlich
zuckten seine Augenlider, als würden sie kleine Stromstöße erhalten. Der athletische
Mann legte seine fast tellergroßen Hände übers Gesicht, so als wolle er dadurch
die nervösen Zuckungen ersticken. »Du weißt sicherlich, dass es sich bei Spinnenseide
um ein erstaunliches Material handelt, oder?«, fragte er mit geschlossenen Augen.
    Wieder ein
Nicken als Antwort.
    Der Spider
entfernte die Hände vom Gesicht. Sein Blick huschte unruhig hin und her, aber die
Zuckungen waren verschwunden.
    »Spinnfäden
sind Wunderwerke der Natur«, dozierte er. »Sie sind sehr leicht, ausgesprochen elastisch
– und dabei stabiler als Stahl. Da staunst du jetzt aber Bauklötze, nicht wahr?«
    Er bekam
Jessicas Reaktion nicht mit, denn er wandte ihr abrupt den Rücken zu und schlenderte
wieder nachdenklich ein paar Schritte durch den Bunker. Wie ein Soldat machte er
auf dem Absatz kehrt und schlurfte zurück zu dem überdimensionalen Spinnennetz.
    »Kein einziges
Material, das wir angeblich so unglaublich genialen Menschen bislang produziert
haben, kann gleichzeitig mit diesen drei Eigenschaften aufwarten«, fuhr er fort.
»In der Medizin erhofft man sich von den Meisterwerken unserer kleinen achtbeinigen
Freunde wahre Wunderdinge. Unser Immunsystem stößt die aus langen Ketten von Eiweißmolekülen
bestehenden Spinnfäden nämlich nicht als Fremdkörper ab. Somit können sie für alle
möglichen medizinischen Zwecke eingesetzt werden. Also ist uns Mutter Natur wieder
einmal hinsichtlich Kreativität und Funktionalität haushoch überlegen.«
    Grunzend
zog er die Nase hoch und spie den Schleim vor sich auf den staubigen Betonboden,
wo sich die Spucke in eine sandige Kugel verwandelte. »Gestern habe ich in einer
Fachzeitschrift gelesen, dass Forscher auf Madagaskar eine bislang unbekannte Spinnenart
entdeckt haben, die Unglaubliches zu leisten vermag«, glänzte er mit weiterem Expertenwissen.
    »Das muss
man sich wirklich einmal bildlich vorstellen«, verkündete der Spider: »Diese nur
zwei Zentimeter kleinen Tierchen spannen über drei Quadratmeter große Netze über
Flüsse und Bäche, die an bis zu 25 Meter langen Halteleinen befestigt sind. Kein
Mensch hat auch nur den blassesten Schimmer davon, wie sie diese Meisterleistung
hinkriegen. Ist das nicht unglaublich?«
    »Doch, das
ist es«, stimmte Jessica zu.
    Der Entführer
warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Oh, das tut mir jetzt aber richtig leid
für dich«, seufzte er. »Ich muss mich nämlich auf die Socken machen.«
    Mit einer
überfallsartigen Bewegung packte er Jessicas Oberschenkel und zog das eingeritzte
Spinnennetz mit beiden Händen so fest auseinander, dass die Schnittwunden wieder
zu bluten begannen.
    In Jessicas
Schmerzensschreie hinein grummelte er in gehässigem Ton: »Damit du heute Nacht auch
ja an mich denkst.« Dann eilte er aus dem Bunker und löschte das Licht.
    »Lebst du
noch?«, ächzte Jessica Hellmann.
    Doch die
Frau unter ihr reagierte nicht.

8
     
    Als der Leiter des K 1 nach Ende
der Dienstbesprechung Dr. Schönthaler von der Entführermail berichtete, produzierte
der Kopf des kreativen Rechtsmediziners sogleich eine pfiffige Idee: Warum

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