Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
seinem neuen Fall zu helfen.«
»Sag mal,
Marieke, du hast doch auch an unserer Uni Biologie studiert«, mischte sich der Kommissariatsleiter
ein. »Kennst du einen gewissen Dr. Christian Balzer? Er ist Biologe und soll zudem
ein ausgewiesener Spinnenexperte sein.«
Tannenbergs
Nichte hatte sich inzwischen wieder einigermaßen beruhigt. Sie lehnte sich in ihrem
Stuhl zurück, legte die Hände auf ihren mächtigen Schwangerschaftsbauch und seufzte
tief auf. »Ja, leider kenne ich diesen Herrn.«
»Wieso leider?«,
hakte ihr Onkel nach.
»Balzer
ist ein total verklemmter, aufdringlicher Mensch. Vor ein paar Jahren hat er mich
mal bei einer Unifete richtig eklig angebaggert. Er war stockbetrunken und so was
von aggressiv, kann ich dir sagen.« Marieke schüttelte sich wie ein nasser Hund.
»Das war ein total schockierendes, widerliches Erlebnis.«
»Das kann
ich mir vorstellen«, kommentierte Tannenberg. »Weißt du etwas Näheres über ihn?
Zum Beispiel etwas über sein Privatleben, seine Familienverhältnisse und so weiter?«
»Nein, Wolf,
darüber weiß ich überhaupt nichts. Ich hatte vorher schon kaum etwas mit ihm zu
tun und nach diesem Eklat ist er mir aus dem Weg gegangen. Das war mir sehr recht«,
meinte Tannenbergs Nichte. »Glaubst du, er steckt hinter den Entführungen?«
Der Chef-Ermittler
zuckte mit den Schultern.
Marieke
schaute ihn mit großen, feuchten Augen an. »Glaubst du, dieser Verrückte könnte
es auf mich abgesehen haben?«
»Nein, ich
denke, in dieser Hinsicht hast du nichts zu befürchten. Seine bisherigen Opfer sind
alleinstehend. Wir vermuten, dass er sie genau deshalb ausgewählt hat. Schließlich
sind alleinstehende Frauen relativ selten in Begleitung«, versuchte er die Ängste
seiner Nichte zu beschwichtigen. »Wir haben Hinweise darauf, dass er sich seine
Opfer in diesen sozialen Netzwerken aussucht, und da outen sich ja leider viele
Frauen als alleinstehend und partnersuchend.«
»Aber warum
ist er dann ausgerechnet bei mir zu Hause eingebrochen?«
»Das war
sehr wahrscheinlich reiner Zufall«, bemerkte Sabrina Schauß.
Von wegen
Zufall, dachte Tannenberg, behielt seine Gedanken aber lieber für sich. Kollmenter
wohnt Marieke schräg gegenüber und konnte problemlos ihre Wohnung ausspähen. Vielleicht
wollte er auch noch in Heiners Wohnung rein. Der Schlüssel dazu hing ja ebenfalls
an ihrem Schlüsselbund.
»Wir wissen
noch nicht, ob es sich bei dem Einbrecher und dem Entführer um ein und denselben
Täter handelt«, erklärte er stattdessen. »Aber du brauchst wirklich keine Angst
zu haben.«
»Also gut,
dann wollen wir mal hoffen, dass du recht hast und ihr diesen unheimlichen Verbrecher
bald findet«, sagte die werdende Mutter und streichelte zärtlich die Riesenkugel
unter ihrem Herzen.
»Wann ist
es denn so weit?«, wollte Kollmenter wissen.
»In drei
bis vier Wochen«, antwortete Marieke.
»Was wird
es denn werden? Noch so ein goldiges kleines Mädchen wie Emma?«
»Nein, diesmal
wird’s ein Junge.«
In diesem
Augenblick schneite Dr. Schönthaler in den Raum. Als er die Versammlung um den Flachbildschirm
entdeckte, gesellte er sich sofort neugierig dazu.
»Pfui Spinne,
ist das eklig«, stieß er angewidert aus.
»Also dieser
Spruch trifft’s jetzt aber wirklich haargenau, Doc«, kommentierte Michael Schauß.
»Wieso?«,
fragte der verdutzte Rechtsmediziner. Dann ging ihm ein Licht auf. »Ach, wegen der
Verbalisierung meiner zutiefst empfundenen Abscheu gegenüber diesem potthässlichen
Ungeziefer.«
Werner Kollmenter
warf ihm einen bitterbösen Blick zu. Wenn Blicke töten könnten, hätte der Pathologe
auf der Stelle seinen letzten Atemzug getan.
Kumpelhaft
legte Dr. Schönthaler seinem besten Freund den Arm auf die Schulter. »Na, wie steht’s
denn eigentlich um deinen lieben Kollegen Mertel?«, fragte der Rechtsmediziner.
»Ist die Geheimmission des Herrn Oberdreckschnüfflers inzwischen beendet oder wühlt
er noch immer im Misthaufen der menschlichen Perversitäten herum?«
Wie ein
Feuerstrahl schoss Wolfram Tannenberg die Zornesröte ins Gesicht. Er zischte: »Halt’s
Maul«, durch die geschlossenen Zahnreihen. Geistesgegenwärtig überspielte er die
delikate Situation, indem er mit lauter Stimme tönte: »Sag mal, mein lieber Werner,
du kennst doch bestimmt alle Spinnenliebhaber hier in der Gegend, oder?«
»Ja, ich
denke schon«, erwiderte der Briefträger. »Sicherlich gibt es auch ein paar Eigenbrötler,
die man nur selten oder eben auch
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