Todesnetz: Tannenbergs zwölfter Fall (German Edition)
Kollmenter
nachher ins Musikerviertel zurückbringe.«
Wolfram
Tannenberg brauste in Richtung Stadtmitte los. Kurz vor der Kreuzung Dr.-Rudolf-Breitscheid-Straße/Mozartstraße
stoppte er neben Kollmenter, der gerade sein gelb-schwarzes Fahrrad besteigen wollte.
»Hallo,
Werner, bitte unterbrich deine Tour für eine halbe Stunde und steig ein«, bat der
Kriminalbeamte, während das Seitenfenster im Türrahmen verschwand. »Wir machen einen
kleinen Abstecher zum Pfaffplatz.«
»Warum denn?«,
fragte der sichtlich perplexe Briefträger.
»Wir benötigen
dringend deine Fachkompetenz als Spinnenexperte.« Tannenberg seufzte tief. »Uns
fällt sonst niemand ein, der sich mit diesen Tieren gut auskennt.« Nach einer kurzen
Pause fügte er hinzu: »Außer einem Biologen an der Uni. Aber der ist zurzeit leider
nicht erreichbar.«
Kollmenter
machte eine abschätzige Handbewegung. »Du meinst bestimmt den Herrn akademischen
Oberrat Dr. Christian Balzer.«
»Wie hast
du das denn so schnell erraten?«
»Das war
nicht schwer. Dieser aufgeblasene Balzer spielt sich nämlich überall als der einzig
wahre Spinnenguru auf. Aber den könnt ihr getrost vergessen.«
»Wieso?«
»Er ist
ein durch und durch abgedrehter Wissenschaftler«, spottete Kollmenter mit angespitzten
Lippen. »Einer dieser staubtrockenen Theoretiker, wie sie massenweise an einer Universität
herumschwirren. Der hat zwar bestimmt unheimlich viel Ahnung von Stoffwechselvorgängen
und mikrobiologischen Zusammenhängen, aber von lebenden Tieren hat dieser Labersack
nicht den blassesten Schimmer.«
»Du magst
den Herrn wohl nicht sonderlich, oder täusche ich mich da?«, konnte sich Tannenberg
nicht verkneifen.
»Nee, den
kann ich wirklich auf den Tod nicht ausstehen.«
»Na, siehst
du, Werner, dann bist du doch genau der Richtige für uns«, schmunzelte Tannenberg.
»Wir benötigen nämlich einen kompetenten Mann der Praxis ohne jeglichen akademischen
Firlefanz.«
Der Postbote
fühlte sich geschmeichelt und war in den letzten Minuten mindestens einen halben
Meter gewachsen. »Selbstverständlich helfe ich euch.«
»Super,
Werner. Das habe ich ehrlich gesagt auch gar nicht anders von dir erwartet«, säuselte
der Kriminalbeamte. Als er kurz an Mertels illegale Aktion dachte, konnte er ein
spitzbübisches Lächeln nur mit Mühe unterdrücken. »Deine Packtaschen kannst du im
Kofferraum verstauen, und den Drahtesel schiebst du am besten da vorne in die Einfahrt
rein. Im Musikerviertel wird nichts geklaut.«
Kollmenter
tat, wie ihm geheißen. Doch man merkte ihm deutlich an, dass er sein Dienstfahrrad
nur ungern im Stich ließ.
Als Tannenberg
fünf Minuten später im K 1 die Tür zu Petra Flockerzies Reich aufstieß, fuhr ihm
ein messerstichartiger Schmerz in die Magengegend: Marieke saß schluchzend am Tisch,
umringt von seinen Kollegen. Ihr Gesicht hatte sie in den Händen vergraben, ihr
Oberkörper bebte. Sabrina stand hinter ihr und streichelte ihr sanft über den Kopf,
während Petra Flockerzie ihren Arm tätschelte und sie mit Beschwichtigungsformeln
zu trösten versuchte.
»Um Gottes
willen, was ist denn passiert?«, keuchte der Leiter des K 1 und stürmte zu seiner
Nichte.
»Der Entführer
hat Marieke ein Video geschickt«, erklärte Michael Schauß und fletschte jähzornig
die Zähne. »So eine perverse Sau. Wenn ich den erwische, schneide ich ihm eigenhändig
die …« Der junge Kommissar vollendete seinen Satz nicht, sondern schluckte seine
Wut hinunter. Wie Rumpelstilzchen stapfte er zum Waschbecken und schaufelte sich
eiskaltes Wasser ins Gesicht.
»Bei dem
ersten Tier handelt es sich um eine Kamelspinne, bei dem anderen um eine sogenannte
Schwarze Witwe«, verkündete Kollmenter währenddessen.
Kopfschüttelnd
betrachtete er den kurzen Videofilm, in dem wie in einer Endlosschleife die beiden
Spinnen über die in menschliche Haut eingeritzten, blutverkrusteten Spinnennetze
hinwegkrabbelten. »Wer schickt dir denn so etwas, Marieke?«, fragte der Briefträger.
Tannenbergs
Nichte erkannte Kollmenters Stimme offenbar nicht, denn sie warf einen neugierigen
Blick über die Schulter. »Ach, du bist das, Werner«, schniefte sie. »Was machst
du denn hier?«
Seine Fachkompetenz,
die ihm vorhin noch große Anerkennung eingebracht hatte, war dem Postboten nun offensichtlich
peinlich, denn er antwortete in einem Tonfall, als würde er sich zu seiner ansteckende
Krankheit bekennen: »Ich bin Spinnenliebhaber. Und da hat mich Wolf gebeten, ihm
bei
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