Todesopfer
zusammengekauert auf dem
Bett und klagte um sein totes Kind, ehe es selbst verschied. Als der Ehemann heimkehrte, weigerte er sich (was vielleicht nicht weiter überraschend war), die Geschichte der Alten zu glauben, dass die Trows sein echtes Weib und sein Kind geraubt hatten. Er und seine Brüder töteten die alte Frau, weil sie ihrer Pflicht nicht nachgekommen war.
Es gab noch zahlreiche andere Geschichten: wie junge Frauen, Kinder, sogar Tiere von den Trows gestohlen und Geister in ihrer Gestalt zurückgelassen worden waren, die bald darauf starben. Die Zyniker unter uns würden natürlich behaupten, dass die Geister nichts dergleichen waren, dass diesen Todesfällen natürliche (oder eher menschliche) Ursachen zugrunde lagen und die Trows nichts damit zu tun hatten. Man könnte anführen, und ein Teil von mir war versucht, genau das zu tun, dass den Trows im Lauf der Jahre die Schuld an ziemlich viel menschlichem Unheil auf diesen Inseln in die Schuhe geschoben worden war. Trotzdem, die schiere Menge der Geschichten beeindruckte mich. Wieder und wieder tauchte dasselbe Thema auf: Jemand war geraubt und ein geisterhaftes Ebenbild an seiner Stelle zurückgelassen worden, der Geist war gestorben.
Natürlich glaubte ich nicht an Geister. Wenn Todesfälle vorgetäuscht worden waren, um Entführungen zu vertuschen â und genau darauf lief es bei all diesen Geschichten hinaus â, dann war das auf natürlichem Weg geschehen. Die übernatürliche Richtung würde ich nicht einschlagen.
Das Problem war nur, ich schlug überhaupt keine Richtung ein. Die Worte begannen auf den Buchseiten zu tanzen, und für heute war Schluss mit Nachdenken. Ich legte das Buch neben mich auf den Boden und lieà es geschehen, dass mir die Augen zufielen.
Â
Im Traum knallte ich Duncan die Hintertür vor der Nase zu, und das Geräusch, mit dem das hölzerne Türblatt gegen den Rahmen schlug, hallte durchs ganze Haus. Ich erwachte. Es war kein Traum gewesen. Jemand hatte das Haus betreten. Jemand ging leise, aber durchaus vernehmlich unten umher.
Eine Sekunde lang war ich wieder in der Albtraumwelt von vor fünf Nächten gefangen. Er war zurückgekommen. Er hatte mich gefunden. Was zum Teufel sollte ich tun?
Lieg ganz still, rühr dich nicht, atme nicht einmal. Er wird dich nicht finden.
Lächerlich. Wer immer das dort unten war, er hatte wahrscheinlich den gleichen Gedanken gehabt wie ich. Er suchte etwas, und bald würde seine Suche ihn dorthin führen, wo Dana ihrer Arbeit nachgegangen war.
Versteck dich.
Ich tastete unter mir herum. Das Bett war ein Diwan. Es gab keinen Kleiderschrank im Zimmer. Nichts, wo jemand von meiner GröÃe sich verstecken konnte. Schon gar nicht, wenn ich es war, wonach er suchte.
Flieh.
Eigentlich die einzig vernünftige Alternative. Ich setzte mich auf. Meine Schlüssel lagen auf dem Schreibtisch. Als ich sie aufhob, klimperten sie.
Ich streckte die Hand nach dem Fenster aus. Der Griff lieà sich nicht bewegen. Natürlich verriegelte Dana ihre Fenster. Sie war Polizistin. Ich schaute genauer hin. Es war eine Doppelscheibe. Sie einzuschlagen wäre möglich, würde aber zu viel Lärm machen. Ich musste nach unten. Musste irgendwie an ihm vorbei.
Ich griff in meine Tasche und kramte darin herum, bis ich jenes bisschen zusätzlichen Schutz fand, das ich von zu Hause mitgebracht hatte. Ich umklammerte es fest mit der Rechten und ging zur Tür. Dann drückte ich sacht auf die Klinke und öffnete sie. Von unten kam ein leises Rumpeln. Ich schlich über den Flur und dankte Dana im Geist dafür, dass sie Treppen und Treppenabsatz mit Teppich hatte auslegen lassen. Im Erdgeschoss waren Hartholzdielen und Fliesen. Doch ich musste erst einmal nach unten gelangen.
An der Treppe hielt ich inne und lauschte. Leise Geräusche drangen hinter der geschlossenen Küchentür hervor. Ich spähte über das Geländer. Zwei Türen führten aus Danas Küche hinaus:
Durch die erste, die ich sehen konnte, kam man auf den Flur, durch die zweite ins Wohnzimmer. Diesen Weg wollte ich nehmen, irgendetwas hinter mich in den Flur werfen, um den Eindringling abzulenken, und dann, wenn er nachsehen ging, leise durch die Küche schleichen und zur Hintertür hinausschlüpfen. War ich erst drauÃen, konnte ich über die Gartenmauer klettern und zu meinem Auto rennen, so schnell ich konnte.
Noch
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