Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
Vom Netzwerk:
trotzdem war ich nervös. Ich rannte nach oben, fand eine Tasche und warf ein paar Kleidungsstücke hinein, holte den Schlafsack vom Schrank und schnappte mir noch ein Kissen vom Bett. Mein Schmuck, das bisschen, das ich besaß, landete ebenfalls in der Tasche. Zum Schluss kramte ich Großvaters altes Bolzenschussgerät hervor und versteckte es unter ein paar Pullovern.
    Ich stand in der Tür unseres Schlafzimmers, und mir kam der Gedanke, dass ich vielleicht nie in dieses Haus zurückkehren würde. Ich sollte zumindest eine Nachricht hinterlassen.
    Auf unserer Kommode stand ein Hochzeitsfoto von Duncan und mir. Er, hochgewachsen und elegant in schwarzem Gehrock und gestreifter Hose, küsst mir vor der Kirchentür die Hand. Ich bin in cremeweiße Spitze gehüllt und sehe zum ersten und einzigen Mal in meinem Leben feminin aus. Dieses Foto hatte ich immer geliebt. Ich nahm es, ließ es fallen und trat hart mit dem rechten Fuß darauf. Das Glas zersprang, und der hölzerne Rahmen splitterte an einer Ecke. Damit sollte alles gesagt sein.
    Ich mühte mich die Treppe hinunter und war mir nicht ganz sicher, wie ich all das Zeug auf dem Fahrrad würde transportieren können. Der Anrufbeantworter blinkte. Fünf Nachrichten. Sie könnten wichtig sein. Ich drückte auf »Wiedergabe«.
    Â»Tora, hier ist Richard. Es ist jetzt nach zwölf Uhr mittags, am Dienstag. Elspeth und ich machen uns Sorgen um dich. Bitte melde dich.«

    Ja, ich wette, du machst dir Sorgen. Ich drückte auf »Löschen«.
    Â»Tora, ich bin’s. Was ist los? Ich hab den ganzen Tag versucht, dich auf dem Handy zu erreichen. Würdest du mich bitte anrufen?«
    Löschen.
    Â»Hör zu, Tora – das ist wirklich nicht komisch. Alle machen sich deinetwegen Sorgen. Lass uns einfach nur wissen, dass du okay bist … Ich komm hier im Augenblick wirklich ganz schlecht weg. Verdammt, Tora, ruf einfach an, ja?«
    Löschen.
    Â»Ich bin’s noch mal. Ich hab gerade das mit Dana erfahren. Es tut mir so leid, Liebling. Morgen früh bin ich wieder da. Kannst du mich bitte anrufen, nur damit ich weiß, dass alles okay ist? … Ich liebe dich.«
    Nennen Sie mich meinetwegen sentimental, aber das konnte ich einfach nicht löschen. Ich drückte auf den Knopf, um die letzte Nachricht abzuhören. Eine neue Stimme.
    Â»Tora, das ist keine gute Idee. Sie müssen sofort zurückkommen. Ich hoffe nur, Sie sind nicht mit dem Auto unterwegs. Lassen Sie mich wissen, wo Sie sind, dann komme ich und hole Sie ab.«
    Von wegen. Ich drückte auf »Löschen«. Doch die Nachricht beunruhigte mich. Wenn Kenn der Polizei erzählt hatte, dass ich in der Gegend herumfuhr und dabei unter Beruhigungsmitteln stand, konnte ich damit rechnen, wenige Minuten, nachdem ich das Haus verlassen hatte, geschnappt zu werden.
    Ich trug meine Sachen zur Tür und bückte mich, um die Post aufzuheben. Eigentlich hatte ich sie auf den Couchtisch im Wohnzimmer schmeißen wollen, doch etwas fiel mir ins Auge. Es war ein fliederfarbener Briefumschlag, auf dessen Vorderseite jemand mit der Hand »Tora« geschrieben hatte. Eine Briefmarke war nicht darauf, und ich konnte etwas Schweres, Hartes darin fühlen. Ich öffnete den Umschlag, holte einen goldenen Schlüssel heraus und las die kurze Botschaft, die erste, die ich jemals von jenseits des Grabes erhalten hatte.

26
    Irgendwie schaffte ich es, Elspeths Rad die Straße entlangrollen zu lassen, dorthin, wo mein Auto stand. Ich verstaute meine Sachen und das Fahrrad im Wagen und ließ den Motor an. Ich glaube, das wäre alles auch dann nicht ganz leicht gewesen, wenn ich dabei nicht geschluchzt hätte.
    Es begann zu regnen, als ich mich auf den Rückweg nach Lerwick machte. Ich konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Gott sei Dank war es nicht ganz dunkel, denn ich musste schnell fahren. Auf dieser Straße würden sie nach mir Ausschau halten. Hätte ich erst einmal den Stadtrand von Lerwick erreicht, wäre es leichter, mich zu verstecken. Sie würden niemals erraten, wohin ich wollte.
    Tora [hatte Danas Botschaft gelautet],
    habe gerade mit Ihrer Schwiegermama gesprochen. Ist die immer so?
    Ihre Nachricht war sehr hilfreich. Allmählich passt alles zusammen.
    Nehme an, Sie sind auf dem Rückweg hierher. Bleiben Sie nicht allein zu Hause. Kommen Sie zu mir. Gehen Sie einfach rein und warten Sie.
    Mache

Weitere Kostenlose Bücher