Todesopfer
Wunderbares. Helen nahm neben mir Platz und reichte mir einen groÃen Pappbecher mit Kaffee, mehrere weiÃe Papierservietten und eine fettige Papiertüte.
»Hummerbrötchen«, verkündete sie selbstzufrieden. »Frisch gefangen.«
Es war ein unglaubliches Frühstück: Der bittere, starke Kaffee wirkte wie Medizin; das weiche, frische WeiÃbrot, das vor warmer, salziger Butter nur so troff und meine Lippen mit Mehl überzog, und der Hummer, gehaltvoll und süàâ jeder Bissen ein Festmahl für sich. Helen und ich aÃen wie um die Wette, und ich gewann mit einem Sekundenbruchteil Vorsprung.
Ich hätte alles dafür gegeben, dort sitzen zu bleiben, während die Sonne den Himmel hochkletterte und das Meer sich von Silber zu tiefem Blau verfärbte, zuzusehen, wie die Ebbe auslief und die Fischerboote zurückkehrten. Doch die Uhr tickte. Die Welt erwachte, und mir war klar, dass Helen mich nicht nur zum Frühstücken nach Oban gebracht hatte.
Als läse sie meine Gedanken, schaute sie auf ihre Uhr. »Viertel vor acht«, stellte sie fest. »Ich würde sagen, das ist eine angemessene Zeit, um mit Hausbesuchen anzufangen.« Sie erhob sich, klopfte sich ab und streckte die Hand nach meiner zerknüllten Hummertüte und nach dem leeren Kaffeebecher aus. Als wir wieder im Auto saÃen, drehte sie sich zu mir um. »Okay, hören Sie gut zu, wir sind nämlich gleich da. Während Sie gestern Nacht im Reich der Träume weilten, habe ich mir noch einmal die Bankkonten von Gair, Carter, Gow näher angeschaut, um herauszufinden, obâs da irgendwas Ungewöhnliches zu entdecken gibt. Die
haben insgesamt sechs Klientenkonten. Ich habe Verweise auf die Firma Ihres Mannes gefunden, auf das Krankenhaus, wo Sie arbeiten, und auf Tronal. Aber Dana hat keine weiteren Querverweise angegeben, und es gab nichts, womit man die Summen, die angeblich von Shiller Drilling herumgeschoben wurden, vergleichen konnte. So weit alles klar?«
»Ja. So weit.« Wir hatten den Hafen verlassen und schlängelten uns durch die WohnstraÃen von Oban. Nigel, der Fahrer, fuhr an den StraÃenrand, um einen Stadtplan zurate zu ziehen.
»Das heiÃt nicht, dass da nichts ist. Nur dass mehr Wühlarbeit nötig ist und ich gestern Nacht dazu nicht die nötige Zeit hatte.«
»Okay.« Wir fuhren wieder los.
»Dann habe ich mir die Auszüge der Geschäftskonten vorgenommen. War wieder nichts wirklich Auffälliges dran. An den meisten Tagen werden Schecks eingereicht und Bargeld eingezahlt, aber es sind keine Details angegeben, wo das Geld herkommt. Wir müssten ihre Bücher durchgehen, um das rauszufinden. Jeden Monat wird eine ganze Masse an Mitarbeitergehältern gezahlt und verschiedene Daueraufträge an die öffentlichen Versorgungsbetriebe. AuÃerdem kommt jeden Monat Geld von verschiedenen Klienten rein, die der Kanzlei einen Anwaltsvorschuss zahlen.«
»Alles Sachen, die man erwarten würde?« Der Wagen war langsamer geworden. Wir bogen in eine Sackgasse mit neueren Einfamilienhäusern ein. Nigel hielt nach Hausnummern Ausschau.
»Stimmt. Aber als ich mir das Konto von Gair, Carter, Gow in Oban angeschaut habe â das ich mir übrigens bis zuletzt aufgehoben hatte â, ist mir etwas aufgefallen.«
»Wir sind da, Maâam«, meldete Nigel.
»Danke, einen Moment noch«, erwiderte Helen. »Drei Ãberweisungen von dem Geschäftskonto der Filiale in Oban an einen Empfänger namens Cathy Morton Trust. Zum Teil sind sie mir wegen der Beträge aufgefallen â zusammen waren es eine halbe Million Pfund. Und es handelte sich um kein Klientenkonto, das kam vom Konto der Kanzlei. Das andere, was mir aufgestoÃen ist, war der Zeitraum.«
Ãber Helens Schulter hinweg konnte ich Vorhänge sich bewegen sehen. Ein kleines Gesicht beobachtete uns aus einem Fenster im Erdgeschoss von Nummer 14.
»Drei Zahlungen, im September und im Oktober 2004. Die zweite am 6. Oktober 2004.«
Ich schwieg, blickte sie einfach nur an und wartete auf die Pointe. Helen sah enttäuscht aus; offenbar hatte ich irgendwas nicht kapiert. »Also bin ich noch mal ins Internet und habe ein nationales Polizeiregister aufgerufen. Es gibt nur einen Eintrag für eine Cathy Morton in Oban, und das hier war ihre letzte bekannte Adresse. Kommen Sie, sie haben uns gesehen. Sie bitte auch, Nigel. Sie werden
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