Todesopfer
Schulter gehängt.
»Wir müssen los«, sagte sie. »Können Sie anderthalb Kilometer weit laufen?«
Ich stand auf. Sprechen erschien mir zu anstrengend, also versuchte
ich es gar nicht erst. Ich trank ein wenig Wasser, hinterlieà eine Nachricht für meine Freundin und trat dann ins Sonnenlicht hinaus. Helen schloss hinter mir ab und legte den Schlüssel wieder an seinen Platz. Ich warf einen Blick zur Weide hinüber, wo Charles und Henry grasten. Mir war zumute, als lieÃe ich meine Kinder zurück. Helen strebte auf das Hoftor zu, und ich folgte ihr.
Wir machten uns auf den Weg die kleine StraÃe entlang, auf das winzige Städtchen Voe zu. Meine Schulterblätter fühlten sich an, als hätte jemand ein Messer dazwischengerammt, und meine Beine zitterten. Wieder war mir schwindlig, diesmal jedoch mehr vor Erschöpfung und Hunger als vor Panik. Ich hatte nicht mehr genug Energie, um in Panik zu geraten.
»Wo gehen wir hin?«, wollte ich wissen. Ich sah auf die Uhr. Halb sechs Uhr morgens.
»Zu dem Pub da unten«, antwortete Helen. »Da gibtâs einen Parkplatz. Der Hubschrauber kann da landen.«
Trotz allem war ich beeindruckt. Sie würde uns hier rausholen. Ich würde in Sicherheit sein. Ich konnte mich ausruhen. Wir konnten dem Ganzen auf den Grund gehen. Oder vielleicht würde ich das jemand anderem überlassen. Vielleicht war es mir gar nicht mehr so wichtig.
Wir hörten den Helikopter, als wir noch ungefähr einen knappen halben Kilometer von dem Pub entfernt waren. Ich musste gegen den Drang ankämpfen, davonzulaufen und mich zu verstecken.
»Helen, und wenn das nun gar nicht Ihre Leute sind? Wenn das die sind? Was ist, wenn die Ihren Anruf zurückverfolgt haben?«
»Ganz ruhig. Falls diese Art von Technologie auÃerhalb des Kinos überhaupt existiert, wird sie ganz bestimmt nicht überall angewendet.«
Der Lärm des Hubschraubers wurde lauter. Helen nahm mich am Arm und schleppte mich über die StraÃe und auf den Parkplatz. Der Helikopter war jetzt direkt über uns. Er begann zu kreisen.
Ich schaute mich um. Es war niemand zu sehen, doch es konnte
nur eine Frage von Augenblicken sein, ehe der Krach Neugierige anlockte. Irgendjemand würde die Polizei anrufen. Sie würden kommen und das Ganze überprüfen.
Langsam senkte sich der Hubschrauber herab. Er kreiste noch immer über dem Parkplatz, kam aber mit jeder Runde tiefer. Eine Frau, die zwei Windhundmischlinge spazieren führte, näherte sich uns. Die Hunde begannen zu bellen, doch anstatt sie von dem Lärm wegzuführen, blieb sie stehen und schaute zu, die Augen mit der Hand vor der frühen Morgensonne abgeschirmt.
Der Helikopter â klein, schwarz-gelb und dem, den das Notarztteam für Rettungseinsätze benutzte, nicht unähnlich â befand sich jetzt etwa fünfzehn Meter über uns. Der Luftzug der Rotorblätter zerzauste mir die Haare. Helens Zopf blieb, wo er war. Mittlerweile hatte ein Auto angehalten, und zwei Männer stiegen aus, um zu gaffen. Einer von ihnen sprach in ein Handy.
Komm schon.
Endlich landete der Hubschrauber. Der Pilot gab Helen ein Zeichen; sie packte meinen Arm, und wir rannten auf den Helikopter zu. Helen öffnete die Tür. Ich sprang auf den Rücksitz, während sie mir dichtauf folgte und die Tür hinter sich zuzog. Wir waren in der Luft, ehe eine von uns ihren Sicherheitsgurt gefunden, geschweige denn ihn angelegt hatte.
Helen schrie dem Piloten etwas zu, das ich nicht verstand; er brüllte zurück und schwenkte dann den Hubschrauber herum. Wir flogen nach Süden, wieder über die Shetlandinseln hinweg. Mir war das egal, solange wir nur nicht mehr auf den Inseln waren, wenn wir wieder landeten.
Helen lächelte mich an, tätschelte mir die Hand, hob dann die Augenbrauen und nickte, eine Art Alles-in-Ordnung?-Geste. Reden war mehr oder weniger unmöglich, also nickte ich nur. Sie lehnte sich in ihren Sitz zurück und schloss die Augen.
Der Hubschrauber hüpfte und tanzte, während er nach Süden flog. Man hatte weder Helen noch mir Kopfhörer mit Mikrofon angeboten, und der Motorenlärm klang schmerzhaft laut in meinen Ohren. Langsam wurde mir übel, und ich sah mich nach einer
Kotztüte um. Speichel sammelte sich in meinem Mund. Ich machte die Augen zu.
Helen hatte nichts gesagt, weshalb ich annahm, dass wir nach Dundee unterwegs waren, wo
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