Todesopfer
von ihrer Brust gelöst und war eingeschlafen. Herrgott noch mal, das war ja wie Zähneziehen. Ich hätte sie am liebsten angeschrien, einen höheren Gang einzulegen, uns alles zu sagen, was sie wusste.
»Was ist im September 2004 passiert? Er hat sie besucht, stimmtâs?«
»Sie war sehr krank. Lag die ganze Zeit im Bett.« Caroline sah ihren Mann an, und in ihrer Miene lag herzlich wenig Zuneigung. »Mark fand, dass sie in ein Hospiz gehört hätte.«
Er versteifte sich. »Es war schlimm für die Kinder, ihre Mum so zu sehen.«
»Eines Tages haben sie an die Tür geklopft. Wollten sie sehen. Sie haben gesagt, sie wüssten, dass sie krank sei, aber es sei wichtig.«
»Sie?«, hakte Helen nach.
»Stephen Gair und der andere Mann. Der hat geredet wie ein Arzt.«
»Wie hieà er?«, wollte Helen wissen, während meine Herzfrequenz den Turbo einschaltete.
Caroline schüttelte den Kopf. »Das habe ich nie erfahren.«
»Wie hat er ausgesehen?«, fragte ich. Helen bedachte mich mit einem Würden-Sie-das-bitte-mir-überlassen?-Blick.
Caroline wandte sich an mich. »Groë, sagte sie. »Sehr groÃ, breite Schulter, helles Haar. Sonst â¦Â«
»Ist schon gut«, meinte Helen. »Darauf können wir später noch mal zurückkommen. Erzählen Sie mir, was passiert ist.«
»Ich habe sie nach oben geführt, zu ihr. Es ist ihr sehr schwer gefallen, sich mit anderen Leuten zu unterhalten, aber sie hat sich groÃe Mühe gegeben.«
»Worüber haben sie gesprochen?«
»Sie haben ihr ein Angebot gemacht.« Diesmal meldete Mark sich zu Wort. »Das war eine Angelegenheit zwischen ihnen. Wir haben ihr gesagt, sie bräuchte das nicht zu tun, dass wir für die Kinder sorgen würden.«
Um Gottes willen, wie konnte Helen nur derart viel Geduld aufbringen?
»Was war das für ein Angebot?«
»Dass sie an irgendwelchen Versuchen teilnehmen sollte, für ein neues Krebsmedikament. Dazu müsste man sie wegbringen, in eine Klinik auf den Shetlands, wo die Versuche durchgeführt wurden. Sie haben gesagt, es gebe keine Garantie, dass sie auf das Medikament ansprechen würde, aber es sei für Krebs im fortgeschrittenen
Stadium entwickelt worden, und es bestünde auf jeden Fall eine Chance.«
»Und als Gegenleistung?«
»Als Gegenleistung würde die Pharmafirma einen Treuhandfonds für die Kinder einrichten. AusschlieÃlich zu ihrem Nutzen. Das Geld wird genauestens kontrolliert. Jeden Monat wird etwas freigegeben, für so Sachen wie Jamies Schuluniform oder Kirstys Kindergartenplatz. Wir kriegen nichts davon.«
Ich schaute mich im Wohnzimmer um, musterte die makellosen Ledersofas, die Stereoanlage, den Breitbildfernseher. Der neue Wagen in der Auffahrt kam mir in den Sinn.
»Und Cathy hat eingewilligt?«
»Sie hätte das nicht tun müssen«, beharrte Mark.
»Ja«, bestätigte Caroline, »sie hat eingewilligt. Das war das Schlimmste für sie, dass sie sich Sorgen um die Kinder gemacht hat, darum, was aus ihnen werden würde. Sie hatten niemanden auÃer uns, und sie wusste, dass wir nicht viel Geld hatten. Sie hatte das Gefühl, das sei das Einzige, was sie noch für sie tun konnte.«
»Ich verstehe«, meinte Helen. »Was ist dann passiert?«
»Stephen Gair hat den Treuhandfonds eingerichtet und Mark und mich als Treuhänder eingesetzt. Am nächsten Tag haben wir die Papiere unterschrieben, und die erste Zahlung wurde geleistet. Ein paar Tage später sind sie gekommen und haben sie abgeholt.«
»Wer ist gekommen?«
»Dieser Mann, der Arzt, mit einem Krankenwagen. Und einer Krankenschwester. Sie haben ihr erzählt, sie würden sie mit dem Hubschrauber transportieren. Er hat uns gesagt, wir könnten sie besuchen, wenn sie sich erst ein bisschen eingelebt hätte.«
»Wann haben Sie sie wiedergesehen?«
Caroline schüttelte den Kopf. »Gar nicht. Gerade mal eine Woche danach ist sie gestorben. Ich musste es Jamie sagen. Er hatte gedacht, seine Mummy wäre verreist, um wieder gesund zu werden.«
»Wo hat die Beerdigung stattgefunden?«
Carolines Gesicht nahm einen zornigen Ausdruck an.
»Es gab keine«, sagte Mark. »Gair ist vorbeigekommen, hat gesagt, das sei Teil der Abmachung gewesen. Cathys Leichnam würde für wissenschaftliche Zwecke verwendet werden, eine Spende
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