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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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an die medizinische Forschung, hat er erklärt.«
    Â»Also haben Sie sie nie wiedergesehen?«
    Â»Nein. Sie war einfach weg.«
    Â»Haben Sie mit ihr gesprochen?«
    Â»Wir hatten nicht einmal eine Telefonnummer«, erwiderte Mark. »Stephen Gair hat uns fast jeden Abend angerufen und Bericht erstattet. Hat immer gesagt, sie würde sich wohlfühlen, wäre aber sehr benommen von den Medikamenten. Könnte nicht telefonieren.«
    Â»Erinnern Sie sich noch an das genaue Datum ihres Todes?«, fragte Helen.
    Â»Der 6. Oktober«, antwortete Caroline. Helen schaute mich an, um zu sehen, ob ich endlich begriffen hatte. Hatte ich. Der 6. Oktober war der Tag, an dem Melissa – das heißt, Melissa Nr. 1 – angeblich gestorben war.
    Â»Uns hat das alles nicht gefallen«, beteuerte Mark. »Es hat uns überhaupt nicht gefallen, dass sie einfach so verschwunden ist. Wir wollten mit ihren Ärzten sprechen, etwas über ihre letzten Tage herausfinden. Wir haben immer wieder Stephen Gair angerufen, aber er war nicht zu sprechen.«
    Â»Haben Sie versucht, in der Klinik anzurufen?«, wollte ich wissen.
    Â»Ja«, antwortete Caroline. »Ich habe im Franklin Stone Hospital in Lerwick angerufen, aber da hatten sie keine Krankenakte von einer Cathy Morton. Da bin ich ein bisschen in Panik geraten und zu Stephen Gairs Büro in der Stadt gefahren. Er war nicht da, aber ich habe einen ziemlichen Aufstand gemacht. Dann, am nächsten Tag, ist dieser Typ aufgekreuzt, dieser Arzt. Der, den wir für einen Arzt gehalten hatten.«
    Â»Weiter.«
    Â»Na ja, ich war allein zu Hause, und er hat mir mehr oder weniger gedroht. Hat gesagt, wir müssten aufhören, Mr. Gair zu belästigen,
die Medikamente hätten Cathy nicht geschadet, und sie wäre sowieso gestorben. Dass sie sehr gut betreut worden wäre und wir es jetzt gut sein lassen sollten. Er hat angedeutet, dass wir uns ruhig verhalten müssten, wenn wir das Geld behalten wollten.«
    Â»Wir mussten doch an die Kinder denken«, warf Mark ein. »Nichts hätte Cathy zurückgebracht. Wir mussten an ihre Zukunft denken.«
    Â»Aber gefallen hat es mir nicht«, wiederholte Caroline. »Ich hab damit gedroht, die Polizei zu informieren.«
    Â»Was hat er gesagt?«
    Â»Er hat gesagt, er wäre von der Polizei.«
    Ein paar Augenblicke lang herrschte Schweigen. Helen schien angestrengt nachzudenken. Dann wandte sie sich abermals an Caroline. »Haben Sie ein Foto von Ihrer Schwester, Mrs. Salter?«
    Das Baby noch immer an die Brust gedrückt, erhob sich Caroline. Sie ging zu einer Kommode und öffnete die oberste Schublade. Während sie darin herumkramte, blickten wir anderen auf den Teppich. Dann kam Caroline zu Helen zurück und reichte ihr ein Foto. Helen warf kurz einen Blick darauf und gab es dann an mich weiter. Es war an einem Strand aufgenommen worden, an einem strahlenden, windigen Tag. Stephen Gair, etliche Jahre jünger und um einiges glücklicher, als ich ihn erlebt hatte, lachte in die Kamera. Seine Arme waren um eine sehr hübsche junge Frau in einem grünen Pullover geschlungen. Es heißt ja, Männer fliegen oft auf denselben Typ Frau, was das Äußere betrifft, und in Stephen Gairs Fall stimmte das ganz sicher. Man hätte die beiden Frauen niemals für Zwillinge gehalten, doch die Ähnlichkeit zwischen Melissa und Cathy war groß: ungefähr das gleiche Alter und der gleiche Körperbau, lange rote Haare – obwohl Cathy glattes Haar gehabt hatte –, helle Haut, feine, zarte Gesichtszüge.
    Es hatte doch ein Ebenbild gegeben.

32
    Die nächsten zehn Stunden verbrachte ich als Gast der Polizei von Tayside.
    Helen und ich flogen nach Dundee; sie saß vorn neben dem Piloten, einen Kopfhörer übergestülpt, und sprach unaufhörlich ins Funkgerät. Ich saß auf dem Rücksitz, in Lärm gehüllt wie in einen Kokon. Nachdem ich zwanzig Minuten lang die Landschaft betrachtet hatte, wühlte ich in meiner Tasche und zog wieder einmal Danas Ausgabe von Die Frau in Weiß heraus. Ich war noch immer nicht dazu gekommen, mir die Merkzettel näher anzusehen, die an mehreren Seiten klebten. Wahrscheinlich waren es nur Überbleibsel von irgendwelchen Abschlussstudien, doch solange wir uns in der Luft befanden, hatte ich ja sonst nichts zu tun.
    Ich schlug das Buch auf der Seite mit dem ersten Klebezettel auf. Seite 50.

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