Todesopfer
Dana war wieder mit ihrem rosafarbenen Leuchtstift zugange gewesen:
Dort stand Miss Fairlie, eine weiÃe Gestalt allein im Mondschein; ihrer Haltung, dem Wenden ihres Kopfes, ihrer Haut und der Form ihres Gesichts nach das leibhaftige Ebenbild der Frau in WeiÃ.
Auf Seite 391 fand ich eine weitere Markierung:
Die äuÃeren Veränderungen, hervorgerufen von den Leiden und Schrecken der Vergangenheit, verstärkten die fatale Ãhnlichkeit zwischen Anne Catherick und ihr selbst auf beängstigende, beinahe hoffnungslose Art und Weise.
Leibhaftiges Ebenbild. Fatale Ãhnlichkeit. Stephen Gair hatte unglaubliches Glück gehabt. Er hatte sich seiner Frau entledigen
müssen, und er hatte eine Todkranke gekannt, die ihr sehr ähnlich sah. Voller Angst um die Zukunft ihrer Kinder hatte Cathy Moore Morton zugelassen, dass man sie in ein Krankenhaus brachte, wo sie, vollgepumpt mit Schmerzmitteln, wahrscheinlich überhaupt nicht mitbekommen hatte, was um sie herum vorging. Und wer wäre schon auf den Gedanken gekommen, dass sie gar nicht diejenige war, als die ein angesehener Anwalt sie ausgab? Keiner der Ãrzte, die Cathy betreuten, und niemand vom Pflegepersonal hatte Melissa gekannt; Cathys Schwester und ihr Schwager hatten sie nicht besuchen dürfen. Melissas Eltern hatte man nicht gesagt, dass sie im Krankenhaus war; man konnte getrost davon ausgehen, dass ihre Freunde ebenfalls nichts davon gewusst hatten.
Selbst wenn jemand Melissa ein- oder zweimal begegnet wäre, war es durchaus möglich, dass der oder die Betreffende sich durch den Anblick der vom Krebs entstellten Cathy in einem Klinikbett hätte täuschen lassen. Sowohl Cathy als auch Melissa waren bildhübsche Frauen gewesen, doch ein zweites Foto, das Caroline uns gezeigt hatte, von einer fast nicht wiederzuerkennenden Cathy im Spätstadium ihrer Krankheit, zeigte die verheerenden Auswirkungen, die Krebs haben kann.
Cathy war nur wenige Tage nach ihrer Einlieferung ins Krankenhaus gestorben. Es war eine Autopsie durchgeführt worden, den Bericht darüber hatte ich in Giffords Büro gesehen, und dann war sie eingeäschert worden. Ich stellte mir die Beerdigung vor, die Kirche, voll von Melissas Freunden und Verwandten, zutiefst verstört über ihren plötzlichen Tod. Wer von ihnen hätte sich träumen lassen, dass der Leichnam in dem Sarg, der im Begriff war, gleich verbrannt zu werden, gar nicht Melissas war? Dass Melissa sich, noch immer höchst lebendig, woanders befand? Wie hatte er das gemacht? Wie hatte Gair es bewerkstelligt, dass seine Frau so spurlos verschwinden konnte? Wo hatte sie sich während der neun Monate zwischen Cathys Tod und ihrem eigenen aufgehalten? Und was zum Teufel war in dieser Zeit mit ihr geschehen?
Ich klappte Die Frau in Weià zu und steckte das Buch weg. Damals kannte ich die Geschichte nicht, doch ich las sie ein paar
Monate später. Es geht darin um einen Mann, der den Tod seiner Frau vortäuscht â natürlich wegen Geld â, indem er sie heimlich fortschafft und eine Sterbende an ihre Stelle setzt. Dana hatte die Erzählung gekannt und war auf dem besten Weg gewesen, das Ganze zu enträtseln. Ob sie Kontakt mit den Salters aufgenommen hatte, ob es das gewesen war, was ihre Mörder schlieÃlich zum Handeln veranlasste, würde ich wahrscheinlich nie erfahren.
Als wir in Dundee landeten, warf Helen mir ein Lächeln zu und verschwand dann in einem wartenden Auto. Ein anderer Wagen brachte mich aufs Polizeirevier, wo man mich mit Kaffee versorgte und in einem Vernehmungszimmer warten lieÃ. Ich wartete beinahe eine Stunde und drehte dabei fast durch. AnschlieÃend tauchte ein Mitglied von Helens Team auf, ein Inspector, um mir Fragen zu stellen. Ein Constable saà in der Ecke, und alles, was ich sagte, wurde auf Tonband aufgenommen. Man las mir nicht meine Rechte vor, ansonsten jedoch war es wie ein Verhör, und der Inspector war nicht bereit, irgendetwas unbesehen zu glauben.
Ich erzählte ihm die ganze Geschichte, von jenem Tag, als ich die Leiche gefunden hatte, bis zu dem Gespräch mit den Salters. Ich berichtete ihm von Kirsten Hawick, die bei einem Reitunfall umgekommen war, und davon, wie ich den Ring gefunden hatte, der allem Anschein nach ihr gehörte. Dass jemand in mein Haus und Büro eingebrochen war, von dem Schweineherz auf dem Küchentisch, von meinem Verdacht, dass jemand mich unter Drogen gesetzt
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