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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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klettern. Nach ein paar Metern wich der Schotter einer dünnen Erdkruste, etlichen verstreuten Grasbüscheln und rauem, federndem Heidekraut. Der Hang war nicht steil, doch ich atmete schwer, als ich oben ankam. Ein Stacheldrahtzaun zog sich um den oberen Teil der Insel, doch darauf war ich vorbereitet. Mit Hilfe einer kleinen Zange vom Boot hatte ich bald einen Durchschlupf hineingeschnitten. Danach kam eine Steinmauer, ungefähr hüfthoch. Ich kletterte darüber und achtete darauf, keinen der locker aufeinandergehäuften Steine loszutreten. Dann blickte ich mich um, fand einen herabgefallenen Stein und legte ihn auf die Mauer, als grobe Markierung für die Stelle, wo ich den Draht durchtrennt hatte.

    Geduckt schaute ich mich um. Tronal ist eine kleine Insel von ovaler Form, ungefähr anderthalb Kilometer lang und einen guten halben Kilometer breit, mit drei gedrungenen Hügelzügen am südwestlichen Rand. Der höchste Punkt liegt fünfzig Meter über dem Meeresspiegel, das war so ziemlich die Stelle, wo ich hockte. In nördlicher Richtung konnte ich die Lichter von Ueyasound auf Unst sehen, und außerdem etliche unten in dem winzigen Yachthafen von Tronal. Ein einziger Pier, neu und stabil gebaut, ragte aus dem kleinen Naturhafen. Mehrere Boote waren dort festgemacht, darunter auch eine große weiße Motoryacht. Ein Landrover parkte in der Nähe des Stegs. Ich glaubte, um den Wagen herum Bewegung erkennen zu können.
    Vom Hafen führte eine unebene, einspurige Straße über die Insel, auf die einzigen Gebäude zu, die zu sehen waren. Fast genau in der Mitte der Insel hob sich das Terrain und fiel dann erneut ab, so dass eine natürliche Senke entstand, in der die Gebäude standen. Ich duckte mich noch tiefer und hielt darauf zu.
    Mein Instinkt sagte mir, mich dicht am Abhang zu halten und mich so schnell vorwärtszubewegen, wie es das unwegsame Gelände erlaubte. Einmal glaubte ich, Stimmen zu hören und zehn Minuten später den Motor eines Bootes, doch der Wind blies noch immer stark, so dass ich mir nicht sicher war.
    Nach etwa einer Viertelstunde Ducken und Dahinhasten konnte ich die Lichter nicht allzu weit von mir entfernt ausmachen. Ich kletterte den Hügel hinauf und streckte mich auf dem harten, stacheligen Gras aus. Unter mir, keine fünfzehn Meter entfernt, lag die Klinik.
    Es war ein einstöckiges Gebäude, aus dem Stein der Inseln gemauert und mit einem hohen Schieferdach versehen, im Quadrat gebaut, mit einem Hof in der Mitte. Durch eine mit einem Tor versehene Durchfahrt auf der Nordwestseite konnten Autos auf den Hof gelangen. Die Torflügel standen offen. Mansardenfenster waren in regelmäßigen Abständen auf dem Dach zu sehen, sechs auf einer Seite. Nur ein paar Lichter schimmerten aus der Klinik selbst hervor, doch das umliegende Gelände wurde von kleinen
Lampen entlang der Kieswege schwach erhellt. Wieder schlich ich los, wobei ich mich ein gutes Stück entfernt hielt, um das Gebäude von allen Seiten zu inspizieren, ehe ich es für sicher hielt, mich näher heranzuwagen.
    Als ich mich in südlicher Richtung von dem Tor entfernte, stieß ich auf eine ganze Reihe dunkler Räume. Die Rollos waren nicht heruntergelassen, doch ich konnte nichts im Innern erkennen. Auf der Südwestseite herrschte rege Geschäftigkeit. Bei mehreren Fenstern waren die Rollos hochgezogen und das Licht an. Ich wich zurück in den Schatten und spähte hinüber. Dort drinnen befanden sich Männer. Es gelang mir, ein halbes Dutzend zu zählen, doch ich konnte nicht mit Sicherheit sagen, ob es nicht vielleicht mehr waren. Drei, vielleicht vier waren in einer Art Aufenthaltsraum; ich konnte Sessel sehen und einen Fernseher an der Wand. Zwei weitere entdeckte ich in einer großen Küche, die vor Edelstahl funkelte. Manche der Männer trugen Jeans und Pullover, ein paar waren in weiße Krankenhauskluft gekleidet. Sie standen plaudernd herum und tranken aus Bechern. Einer der Männer in der Küche rauchte und hielt die Zigarette zum geöffneten Fenster hinaus. Meine Uhr verriet mir, dass es kurz nach zehn war. Ein normales Krankenhaus würde um diese Zeit langsam zur Ruhe kommen. Hier war nichts dergleichen zu bemerken.
    Ich duckte mich tief, dachte an Überwachungskameras, Rundumbeleuchtung, Alarmanlagen. Wenn dieses Gebäude ein Gefängnis war, wie ich glaubte, dann verfügte es bestimmt über

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