Todesopfer
nachdem ich erst einmal drinnen war, änderte sich dieser Eindruck. Die Bauweise war einfach zu ebenmäÃig, sauber und modern. Links von mir waren Zimmer mit meist geschlossenen Türen. Unter einer, an der ich rasch vorbeiging, drang Licht hervor. Zwei Türen standen offen, und ich warf einen raschen Blick hinein. Das erste Zimmer schien ein Büro zu sein, mit Schreibtisch,
Computer und einem Bücherregal mit Glastüren; das zweite war eine Art Konferenzraum.
Ich erreichte das Ende des Korridors und fand eine Tür zu meiner Rechten, die auf den Hof hinausführte. Links befanden sich die stählerne Doppeltür eines groÃen Aufzugs und eine Treppe. Ich begann emporzusteigen.
Nach sieben Stufen machte die Treppe eine Biegung von hundertachtzig Grad. Ganz oben gab es eine Brandschutztür. Ich öffnete sie und spähte hindurch. Der Flur war schmal und verfügte über keine Fenster. Schwache Lampen waren in gleichmäÃigen Abständen an der niedrigen Decke angebracht. Ich zählte sechs mit kleinen Schiebefenstern versehene Türen auf der rechten Seite, schob das erste Fenster auf.
Das Zimmer dahinter lag im Dunkeln, doch ich konnte ein schmales Krankenhausbett mit einem Rohrgestell und einen pastellfarbenen Nachttisch daneben erkennen; auÃerdem einen Sessel und einen kleinen Fernseher, der an der Wand befestigt war. Jemand lag in dem Bett, hatte die Decke jedoch hochgezogen, so dass ich nicht sehen konnte, ob dieser Jemand jung oder alt war, männlich oder weiblich, tot oder lebendig.
Ich ging zum nächsten Fenster. Die gleiche Einrichtung. Nur dass sich die Gestalt in dem Bett diesmal bewegte, sich umdrehte und rekelte, ehe sie wieder zur Ruhe kam.
Das dritte Zimmer war leer, ebenso das vierte.
Im fünften Zimmer brannte Licht. Eine Frau saà im Sessel und las in einer Zeitschrift. Sie schaute auf, und unsere Blicke begegneten sich. Dann lieà sie die Zeitschrift fallen und stand auf. Sie trug einen Schlafanzug und einen Morgenmantel. Sie war schwanger.
Die Frau kam auf die Tür zu. Meine Nerven waren zum ZerreiÃen gespannt, doch ich wusste, wenn ich jetzt türmte, war ich aufgeflogen. Sie öffnete die Tür und legte den Kopf ein wenig schräg.
»Hallo«, sagte sie.
Alles, was ich an Reaktion zustande brachte, war, sie meinerseits anzustarren. Sie runzelte die Stirn, und ihre Augen wurden schmal.
»Entschuldigung«, stieà ich hervor. »War ein langer Tag, vier Stunden im OP, mein Gehirn funktioniert nicht mehr so richtig. Wie gehtâs Ihnen?«
Sie entspannte sich, trat zurück, lud mich ein, in ihr Zimmer zu kommen.
Ich tat es, schloss die Tür hinter mir und vergewisserte mich, dass das Schiebefenster geschlossen war.
»Ganz gut«, sagte sie. »Ein bisschen nervös. Mr. Mortensen hat gesagt, er gibt mir was, damit ich schlafen kann, aber er hat wohl zu viel zu tun.« Sie lehnte sich an das Bett. »Das mit morgen geht doch alles klar, oder?«
Ich zwang mich, sie anzulächeln. »Hab nichts Gegenteiliges gehört.«
»Gott sei Dank. Ich willâs jetzt nur noch hinter mich bringen. Ich muss wirklich wieder arbeiten.«
Ein Schwangerschaftsabbruch. Dana hatte mir erzählt, dass die Klinik Abtreibungen vornahm. Diese Frau zumindest war freiwillig hier.
»Hab ich Sie hier schon mal gesehen?«, fragte sie.
Ich schüttelte den Kopf. »Glaub nicht. Wie lange sind Sie denn schon hier?«
»Fünf Tage. Ich muss wirklich nach Hause. Ich dachte, das Ganze dauert nur vierundzwanzig Stunden.«
»Ich war eine Woche weg«, sagte ich. »Habe erst seit heute Nachmittag wieder Dienst und bin deshalb noch nicht dazugekommen, mir Ihre Unterlagen anzusehen. Hat es Komplikationen gegeben?«
Sie seufzte und stemmte sich hoch, so dass sie auf dem Bett saÃ. »So ziemlich alles, was man sich denken kann. Anscheinend megahoher Blutdruck, obwohl ich damit noch nie Probleme hatte. Zucker und Eiweià im Urin. Anzeichen einer Virusinfektion im Blut, obwohl mir nicht klar ist, warum euch das davon abhalten sollte, die Geschichte durchzuziehen.«
Mir war das auch nicht klar. Das hörte sich alles an wie völliger Blödsinn. Irgendetwas kam mir hier allmählich dubios vor. Ich
warf einen raschen Blick auf die Patientenkarte am FuÃende ihres Betts, fand ihren Namen.
»Emma, dürfte ich schnell mal einen Blick auf Ihren Bauch werfen?«
Sie legte sich rücklings
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