Todesopfer
glaubten, sie könnten es mir wegnehmen.
»Wie sind Sie in mein Büro reingekommen?«, fragte ich und verspürte Hass auf Gair, als ich an die Medikamente dachte, die ich ohne es zu wissen, an dem Abend, als ich Melissa Gairs Identität herausfand, eingenommen hatte. Medikamente können einen Fötus im Frühstadium seiner Entwicklung auf alle mögliche Art und Weise schädigen. »Ich weiÃ, wie Sie ins Haus gekommen sind, aber wie sind Sie in mein Büro gekommen?« Noch während ich sprach, wurde mir klar, wie er es angestellt hatte. Meine Büroschlüssel waren verschwunden gewesen. Gair hatte sie in jener Nacht gestohlen, als er die Erdbeeren und das Schweineherz in unserem Haus deponierte. Neben allem anderem war er auch noch ein Dieb.
»Heben Sie das Seil auf, und fesseln Sie Richard«, sagte ich und deutete auf das Tau, das ich Minuten zuvor hatte fallen lassen. »Machen Sie schnell, und machen Sieâs richtig, dann passiert ihm nichts.«
Gair erwiderte meinen Blick, und die Leere in seinen Augen war vielleicht das Erschreckendste, das ich jemals gesehen habe.
»Und wieso sollte ich das tun?«, wollte er wissen.
Ich zog die Hand aus der Tasche. »Weil es möglicherweise ein bisschen wehtun könnte, einen fünf Zentimeter langen Eisenbolzen ins Gehirn gerammt zu kriegen.«
Gair schaute nach unten und sah zu meiner ungeheuren Befriedigung ein bisschen weniger selbstsicher aus.
»Was zum Teufel ist das?«
»Das Bolzenschussgerät von meinem GroÃvater, um Pferde auf humane Art zu töten. Aber Sie werden das Ding nicht besonders human finden, wenn es Ihnen an die Schläfe gedrückt wird.«
Aus dem Augenwinkel sah ich, wie Richard das Gesicht in den Händen vergrub, es heftig rieb und sich dann aufrichtete. Diese Geste erinnerte so sehr an Kenn, dass ich mich fragte, wieso ich nicht sofort erraten hatte, dass die beiden Vater und Sohn waren.
»Tora, bitte, leg das weg«, sagte Richard. »Sonst wird noch jemand verletzt.«
»Stimmt«, gab ich zurück. »Und das werde nicht ich sein.«
Gair kam auf mich zu. Ich riss die Hand hoch. Er wich zurück und versuchte es aus einer anderen Richtung. Ich hielt die Waffe in seine Richtung, und er machte erneut ein paar Schritte rückwärts, blieb jedoch in Bewegung, erst nach rechts, dann nach links, täuschte Angriff vor, fuhr jedes Mal im letzten Moment zurück. Damit wollte er mich reizen, mich mürbe machen, und das funktionierte auch. AuÃerdem schob er sich so allmählich um die Kajüte herum, fort vom Niedergang und näher an mich heran, und zwang mich, Richard den Rücken zuzukehren.
Ich schwenkte herum, weg von ihm, auf Richards andere Seite. Mein Schwiegervater griff nach mir, und ich duckte mich. Dann packte ich ihn am Kragen seines Pullovers und drückte ihm das Bolzenschussgerät seitlich an das Gesicht. Wenn ich jetzt abdrückte, würde ich sein Gehirn verfehlen, aber nichtsdestotrotz eine Riesenschweinerei anrichten.
»Rührt euch nicht von der Stelle. Rührt euch keinen ScheiÃzentimeter. Alle beide.«
Gair erstarrte. Er hielt die Hände hoch und stand angespannt und sprungbereit da. Seine Augen funkelten vor Erregung.
»Tora«, keuchte Richard. »Es kommen noch andere, sie werden jeden Augenblick hier sein â«
»Gut«, fauchte ich, obgleich ich noch immer zusammenhängend genug denken konnte, um zu wissen, dass diese Neuigkeit alles andere als gut war. »Es gibt da ein oder zwei Dinge, die ich Andy Dunn gern sagen möchte, von meinem geschätzten Boss gar nicht zu reden.«
Gair runzelte die Stirn. Richards Kopf zuckte in meine Richtung.
»Meinst du Kenn?«, fragte er.
»Richard, können wir einfach â«
»Kenn kommt nicht«, sagte Richard.
Ich drückte das Gerät weniger fest gegen Richards Gesicht, gestattete ihm, den Kopf zu drehen und mich anzusehen. Gair spannte sich, anscheinend bereit loszuspringen.
»Versuchen Sieâs gar nicht erst, Stephen. Ich kann abdrücken, ehe Sie da sind.« Ich hatte Richard nicht aus den Augen gelassen. »Wie meinst du das?«, fragte ich.
Richards Augen wurden schmal, als suchte er in meinem Gesicht nach etwas. Einen oder zwei Augenblicke lang schwieg er, und ich hielt den Atem an. Dann, leise, als verkündete er schlechte Nachrichten: »Kenn ist keiner von uns. Mir ist klar, warum du das
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