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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Tasche.
    Â»Warum erzählen Sie’s mir?«
    Â»Weil Sie es wissen müssen. Sie müssen sich auch Mühe geben. Ihr technisches Können ist exzellent, aber Sie können nicht sehr gut mit Menschen umgehen.«
    Das machte mich sauer, stinksauer. Wahrscheinlich, weil mir klar war, dass er die Wahrheit sagte. Ich stand auf. »Wenn Sie mit meinem Verhalten bei der Arbeit Probleme haben, gibt es Verfahrensregeln, die Sie einhalten müssen. Das brauche ich Ihnen wohl nicht zu sagen.«
    Gifford war nicht im Entferntesten eingeschüchtert. »Ach, regen Sie sich wieder ab. Wir können das auch streng nach Vorschrift machen, wenn Sie wollen. Das wird eine Unmenge Zeit kosten, die keiner von uns erübrigen kann, und am Schluss kommt auch nichts anderes dabei heraus, außer dass dann eine Menge lästiger und möglicherweise schädlicher Papierkram in Ihrer Personalakte zurückbleibt. Wir sehen uns morgen.«
    Er drehte sich um und war verschwunden, ließ mich mit einem heftig schmerzenden Arm und völlig zerfleddertem Selbstwertgefühl allein.

8
    Zehn Minuten später war der Tierarzt verständigt, und der Schmerz in meinem Arm war zu einem dumpfen Ziehen abgeflaut. Ich saß auf dem Zaun und sah zu, wie Charles umherhumpelte; mir war klar, dass ich nicht mehr für ihn tun konnte, doch es widerstrebte mir, ihn allein zu lassen. Ich fand beide Zangen wieder und schnitt mit der größeren noch ein paar Drahtstränge von den abgebrochenen Zaunpfosten. Dann sammelte ich sie ein und brachte sie in den Hof zurück.
    Verdammter Gifford, dieser miese, herablassende Manipulant. Ich wusste sehr gut, worauf er aus war. Genau die gleiche Taktik war mir schon früher begegnet, zum ersten Mal auf dem Pausenhof der Grundschule. Sally Carter hatte mich sanft beiseitegenommen und mir mitgeteilt, dass keins der anderen Mädchen in unserer Klasse mich leiden konnte. Sie fanden, ich sei eingebildet und rechthaberisch und eine Besserwisserin. Doch ich sollte mir keine Gedanken machen, denn sie, Sally Carter, fände mich nett und hätte sich für mich starkgemacht. Bis heute erinnere ich mich an das verwirrende Durcheinander von Emotionen, das in diesem Moment über mich hereinbrach: Kummer über meine neu entdeckte Unbeliebtheit, eine Art klägliche Dankbarkeit dafür, dass ich wenigstens eine Freundin besaß, Wut auf besagte Freundin, weil sie mir das alles erzählt und mir den Tag verdorben hatte, und ganz tief unten, am Grunde von all dem, einen heimlichen Verdacht, dass sie ohnehin keine besonders gute Freundin war, wenn sie es schaffte, dass ich mich so elend fühlte. Im Lauf der Jahre waren mir noch andere Sally Carters begegnet, und ich hatte gelernt, diese plumpe, aber höchst wirkungsvolle Form des professionellen Übertrumpfens zu erkennen.
    Ich brachte die Zangen wieder ins Haus. Duncan war penibel,
wenn es um sein Werkzeug ging, und er schätzte es gar nicht, wenn ich es benutzte und schlecht behandelte.
    Natürlich hieß die Taktik zu erkennen noch lange nicht, damit umgehen zu können. Ich könnte (und war mehrmals schwer in Versuchung) das Ganze als ätzendes Machtspielchen abtun. Andererseits habe ich immer gewusst, dass ich nicht beliebt bin: Mir fehlt die Begabung, Smalltalk zu machen, und ich fühle mich in großen Gruppen unbehaglich. Ich weiß, dass ich nicht oft lächle und ein echtes Talent dafür habe, unpassende Bemerkungen zu machen und im falschen Moment Witze zu reißen. Meist versuche ich vergeblich, anders zu sein; aber manchmal möchte ich die Menschen um mich herum einfach nur anschreien, dass sie endlich erwachsen werden sollen. Ich bin eine absolut kompetente Ärztin, ich arbeite hart, begehe keine Verbrechen, handle niemals wissentlich auf niedere oder unehrenhafte Weise. Ich bin eine von den Guten, Herrgott noch mal, aber aufgrund eines Mangels an oberflächlichem Charme dazu verdammt, von den Menschen in meiner Umgebung nicht gemocht zu werden. Scheiß drauf!
    Auf der dritten Treppenstufe lag ein goldener Ring.
    Ich stand da und starrte ihn an. Es war ein breiter Goldreif, mit einer Art Muster am oberen und unteren Rand. Gifford, überlegte ich kurz, doch Gifford hatte während seiner Anwesenheit im Haus die ganze Zeit über die Küche nicht verlassen. Auf jeden Fall schien dieser Ring schon eine ganze Weile nicht mehr getragen worden zu sein, er war völlig mit Schlamm

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