Todesopfer

irgendwie wieder miteinander Verbindung aufzunehmen. Vielleicht konnten wir mit der Fähre nach Unst fahren und ein paar Nächte bei seinen Eltern bleiben. Unser Laser 2 lag den Sommer über dort oben, und wir könnten ein bisschen segeln, vielleicht sogar bei einer oder zwei Regatten mitmachen, falls der dortige Segelklub an diesem Wochenende irgendetwas veranstaltete.
    Dana hatte nicht angerufen, was mich ungemein erleichterte. Ich war mir noch nicht im Klaren darüber, was ich zu ihr sagen würde, doch ich hatte beschlossen, nicht zu tun, worum sie mich gebeten hatte. Ich glaubte nicht länger, dass es sich bei der Frau, die in meiner Wiese vergraben worden war, um Kirsten Hawick handelte. Jegliche weiteren Nachforschungen meinerseits konnten mir ernsthaften Ärger eintragen, und – was noch wichtiger war – ich hatte es Duncan versprochen. Irgendwie musste ich ihr die Röntgenbilder zurückgeben, ohne dass jemand erfuhr, dass ich sie von ihr hatte. Ich nahm einen Stapel Hebammenprotokolle zur Hand, die überprüft und gegengezeichnet werden mussten, las das erste durch und kritzelte meine Unterschrift darunter.
    Wenn du nicht nah dran bist, warum versucht dann jemand, dir Angst einzujagen?
    Den Stift in der Hand, hielt ich inne. Schaute dann nach unten. Meine Aktentasche stand neben meinem Schreibtisch. Ich griff hinein und zog die Mappe heraus.
    Ich hatte es Duncan versprochen.
    Ich schob die Mappe wieder zurück und klappte die Tasche zu. Die Geschichte von gestern Nacht war ein Streich gewesen, ein abartiger Scherz, sonst nichts. Gifford hatte recht, Neuigkeiten verbreiteten sich in kleinen Gemeinden wie ein Lauffeuer. Heute Mittag hatte jemand in der Kantine hinter mir gemurmelt: »Na los doch, Nigel!« Gekicher und Gerangel waren zu hören gewesen, das Geräusch eines unsanften Rippenstoßes. Ich ließ mir nicht anmerken, dass ich es gehört hatte, doch mir war klar, dass jeder meine Abenteuer kannte und mehr als eine Person auf der Insel Spaß daran hatte. Ich beugte mich wieder über die Protokolle.

    Jemand hat in deinem Schlafzimmer gestanden. Hat dich beobachtet, während du geschlafen hast. Schöner Scherz!
    Ich kritzelte meinen Namenszug auf ein drittes und ein viertes Protokoll. Ob ich sie wirklich gelesen habe, kann ich nicht mit Sicherheit sagen.
    Sie sind in dein Haus eingedrungen, ohne Fenster einzuschlagen oder Türen aufzubrechen. Hört sich das für dich an wie ein gewöhnlicher Scherz?
    Ich legte den Stift weg und starrte abermals auf meine Aktentasche.
    Kann doch nicht schaden, Kirsten ein für alle Mal auszuschließen, oder?
    Ich zog die schwarz-weiße Röntgenaufnahme aus der Mappe und legte sie auf die Papiere auf meinem Schreibtisch. Draußen war ein Geräusch zu vernehmen, jemand ging auf dem Flur vorbei. Ich stand auf, um die Tür abzuschließen, und stellte fest, dass sich die Büroschlüssel nicht in meiner Handtasche befanden. Es war nicht das erste Mal, dass ich Schlüssel zu Hause vergessen hatte, also dachte ich mir nichts dabei, holte den Ersatzschlüssel aus der Schreibtischschublade und benutzte ihn. Dann setzte ich mich wieder und betrachtete das Röntgenbild. Es war eine Panoramaaufnahme, die jeden Zahn im Mund zeigte.
    Die permanente Dentition besteht normalerweise aus zweiunddreißig Zähnen, und eine der ersten Regeln beim Begutachten von Zahnaufnahmen ist, sie zu zählen. Es waren einunddreißig: fünfzehn obere und sechzehn untere; nur zwei Backenzähne im oberen rechten Quadranten, anstatt der üblichen drei. Im oberen linken Quadranten war etwas zu sehen, das wie eine Krone ausschaute, außerdem eine missgebildete Wurzel über einem der Prämolaren im oberen rechten Quadranten. Anders als alle anderen Wurzeln zeigte diese eine deutliche distale Krümmung. Die meisten Zähne waren ebenmäßig, doch zwischen dem ersten und dem zweiten Prämolar unten rechts schien ein signifikanter Zwischenraum zu sein. Nicht groß genug, um auf einen fehlenden Zahn hinzuweisen, nur eine Lücke, die kaum aufgefallen wäre,
wenn sie lächelte. Mehrere der hinteren Backenzähne wiesen Füllungen auf. Ich war keine Zahnärztin, doch ziemlich sicher, dass ich in der Lage sein würde, einen vernünftigen Vergleich zwischen diesem Röntgenbild und den anderen anzustellen, die vielleicht relevant wären.
    Das Telefon klingelte. Es war die