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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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angezogen.
    Â»Jetzt gleich?«
    Â»Schinkensandwiches im Klubhaus«, lockte er.
    Ich überlegte. Den Vormittag über im Haus herumhängen, sich Höflichkeiten für Elspeth ausdenken und versuchen, einen Streit mit Richard zu vermeiden, oder …
    Â»Du willst …«, sagte ich zu Duncan.
    Er sprang auf. »Ich will es krachen lassen!«, vollendete er den Satz.
    Â 
    Fünfundzwanzig Minuten später befanden wir uns im Klubhaus von Uyea, machten uns über Schinkensandwiches her, spülten sie mit heißem Nescafé mit Milch hinunter und blickten über den Uyea Sound hinweg auf …
    Â»Mein Gott, das ist es!«, stieß ich zwischen zwei Bissen hervor.
    Â»Was?«, nuschelte Duncan. Er war schon beim zweiten Sandwich,
trug bereits volle Montur und zog seine Schwimmweste fest.
    Â»Tronal«, sagte ich. »Da gibt es eine Entbindungsklinik. Und ein Adoptionszentrum.«
    Â»Komm schon«, brummte Duncan und stand auf. »Wir haben anderthalb Stunden, bevor es anfängt zu gießen.«
    Direkt über uns war der Himmel so blau wie ein Rotkehlchenei, doch draußen über dem Meer, etliche Kilometer hinter Yell, hingen drohend dunkle Wolken. Der Wind blies heftig, hatte ungefähr Stärke fünf und kam aus östlicher Richtung. Duncan hatte recht, ein Sturm war im Anmarsch.
    Â»Das kann nicht weiter sein als einen halben Kilometer«, sagte ich, den Blick noch immer auf Tronal geheftet, als wir das Boot die Helling hinunterschoben.
    Keine Antwort.
    Â»Können wir hinfahren?«, fragte ich, als wir das Wasser erreichten und Duncan sich anschickte, das Boot vom Slipwagen zu heben.
    Â»Nein, das können wir verdammt noch mal nicht«, erwiderte er. »Zum einen ist das Privatbesitz, und da zu navigieren ist unheimlich kniffelig. Da drüben gibt’s Klippen, die reißen uns den Rumpf weg, noch ehe wir nahe rankommen.«
    Allerdings konnte Duncan mich nicht vom Schauen abhalten, als wir vom Steg davonschossen, er am Ruder und ich an der Fockschot. Ich begriff, dass ich Tronal ein Dutzend Mal oder öfter gesehen haben musste, die Insel aber niemals wirklich registriert hatte. Ich glaube, ich wusste nicht einmal, dass es eine Insel war. Die Küstenlinie Shetlands schlängelt und windet sich so ungebärdig, dass man oft nicht erkennen kann, was an dem Land dranhängt, auf dem man gerade steht, und was nicht.
    Tronal lag tief im Wasser, ohne die hoch aufragenden Klippen, die Shetland so häufig kennzeichnen. Im Licht des frühen Morgens, vor dem blauen Hintergrund des Himmels, konnte ich Pfade erkennen und hinter einer Hügelkuppe die Dächer von Gebäuden, aber sonst keine weiteren Anzeichen von Leben.

    Der Wind war genau richtig, und das Boot flitzte dahin, begann jedoch, sich auf die Seite zu legen. Duncan gab mir ein Zeichen, mich ins Trapez zu hängen, und gleich darauf schoss ich nur Zentimeter über dem Wasser dahin, mit einer Geschwindigkeit, die sich anfühlte wie Fliegen. Wir ratterten über ein paar höhere Wellen hinweg, und das Spritzwasser brannte mir in den Augen. Unter mir funkelte das Meer wie Diamanten.
    Â»Klar zum Wenden«, befahl Duncan, und als ich die Vorschot bereitmachte, sah ich, dass wir nur noch wenige Meter von Tronal entfernt waren. Eine verfallene Steinmauer umgab den unteren Teil der Insel, und ganz dicht davor befand sich ein Stacheldrahtzaun. Das Land, das diese Doppelbarriere einschloss, war bestellt, und grüne Schösslinge irgendeiner frühen Feldfrucht spitzten aus der Erde. Ich sah einen Mann auf den Knien liegen und graben. Er trug braune Arbeitskleidung und hob sich kaum vom Boden ab. Jetzt hielt er inne und drehte sich um. Ich folgte seinem Blick und sah eine Frau, ungefähr zwanzig Meter hügelaufwärts. »Re!«, rief Duncan, und das Boot wendete, wobei ich wie immer die Orientierung verlor. Als ich mich wieder zurechtfand und zurückschaute, waren wir zu weit entfernt, um vor dem düsteren Hintergrund der Insel irgendjemanden auszumachen.
    Wir segelten jetzt auf Südwestkurs. In Anbetracht des starken Windes und des heraufziehenden Sturms hatte Duncan entschieden, uns nicht auf die Nordsee hinauszusteuern, sondern in die sehr viel geschützteren Gewässer zwischen Unst im Norden, Yell im Westen und Fetlar im Süden. Wir wendeten abermals, und Duncan brüllte mir zu, dass ich aufpassen solle. Doch mein Denken war ganz von der Frau in

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