Todesopfer
Anspruch genommen, die ich gerade erblickt hatte. Sicher war ich mir nicht, ich hatte sie nur so kurz gesehen, doch sie schien mir hochschwanger gewesen zu sein. Ich fragte mich, ob sie wohl eine jener unglücklichen Seelen war, die ihre Babys weggeben würden.
Das Boot legte sich hart auf die Seite, obgleich ich mit meinem ganzen Gewicht im Trapez hing. Duncan sah nicht gerade entspannt aus. Obwohl wir hier geschützter waren als auf dem offenen
Meer östlich und westlich von Unst, ist der Wind hier für seine Unbeständigkeit berüchtigt. Egal, welche Wetterlage herrscht, es gibt so viele Inseln und Landzungen, die die Böen zurückwerfen, dass man nie genau weiÃ, was auf einen zukommt und wann es einen erwischt. AuÃerdem hatten wir uns in jenes Meeresdreieck verirrt, das die Fähren benutzen, und mussten vorsichtig sein; diese Dinger sind schnell, und sie ändern ihren Kurs nicht, nur um einer unachtsamen Jolle auszuweichen. Wir schossen an der kleinen Insel Linga vorbei, und ich stieà einen erleichterten Seufzer aus, als wir Belmont hinter uns lieÃen und aus dem Fahrwasser der groÃen Schiffe heraus waren. Was Nichtsegler niemals wirklich begreifen, ist, dass die Stimmung beim Segeln sich blitzschnell von Fröhlichkeit in Angst und dann in lähmendes Entsetzen verwandeln kann. Im Augenblick war ich im Angstbereich, Tendenz steigend. Der Wind schien stärker geworden zu sein, das Trapez stabilisierte das Boot nicht, und die Takelage begann zu knarren.
»Komm wieder rein«, rief Duncan, nicht einen Moment zu früh, und ich machte Anstalten, mich wieder in die geringfügig gröÃere Sicherheit der Jolle zurückzuschwingen.
In diesem Augenblick ertönte ein ohrenbetäubendes Krachen. Donner, dachte ich, das Gewitter ist früh dran. Dann hörte ich ein lautes, reiÃendes Geräusch und einen Warnschrei von Duncan. Ich wurde in die Luft geschleudert und landete im kalten Wasser des Bluemull Sound.
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Mein Instinkt hatte mich in die Vertikale gebracht, mit dem Kopf nach oben, und ein Stück über mir konnte ich Sonnenlicht und klares, funkelndes Wasser sehen. Heftig schlug ich mit den Beinen aus und brach durch die Oberfläche. Ich hustete in einem fort, ohne zwischendurch Zeit zum Luftholen zu haben, und ging dann wieder unter.
Abermals unter Wasser, fiel mir ein, dass ich zwar eine Schwimmweste trug, sie jedoch nicht aufgeblasen war. Ich zwang mich, nicht in Panik zu geraten, trat mit aller Macht aus, um nicht zu
tief zu sinken, und tastete unter den Klappen der Weste nach dem roten ReiÃgriff. Ich brauchte nur daran zu ziehen, und die Weste würde sich automatisch mit Luft füllen und mich an die Oberfläche tragen. Nur konnte ich das verdammte Ding nicht finden!
Ich wusste, dass ich Ruhe bewahren musste, also gab ich auf und strampelte mich von Neuem an die Wasseroberfläche. Diesmal gelang es mir, das Husten gerade lange genug zu unterdrücken, um einzuatmen. Das Wasser war unruhiger, als ich gedacht hatte, und alles, was ich sehen konnte, waren die kurzen, garstigen Kabbelwellen, die um mich herumhüpften. Keine Spur von dem Boot. Oder von Duncan.
Ich gab die Suche nach dem ReiÃgriff auf und griff nach dem Luftschlauch, durch den man eine Schwimmweste mit Lungenkraft aufbläst. Nach achtmal Blasen war ich erschöpft. Ich stöpselte den Schlauch wieder zu und legte mich im Wasser auf den Rücken. Mein natürlicher Körperauftrieb hielt mich an der Oberfläche, doch die Wellen schlugen mir so heftig ins Gesicht, dass ich erneut in Panik geriet. Ich richtete mich auf. Noch sechzehn AtemstöÃe, und ich musste mich geschlagen geben. Die Weste lieà sich nicht aufblasen, und ich verausgabte mich für nichts und wieder nichts.
Ich glaube, in diesem Moment war ich kurz davor aufzugeben. Ich schluchzte laut auf und versuchte zu schreien, doch bei dem Wind konnte ich kaum meine eigene Stimme hören. Dann versuchte ich, mich höher über die Wasseroberfläche zu hieven, um mich irgendwie zu orientieren. Der Bluemull Sound war an dieser Stelle nicht breiter als achthundert Meter, und ich schien mich genau in der Mitte zu befinden. Ich drehte mich im Wasser herum und erblickte das Boot, nicht viel mehr als ein weiÃer Fleck, ungefähr vierhundert Meter entfernt, vielleicht auch mehr. Die Segel schleppten im Wasser, und es sah aus, als wäre der Mast weg. Von Duncan keine Spur.
Rasch
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