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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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Jahrhundert erbaut, ist dies eine der wenigen altnordischen Kirchen der Insel. Sie ist ein beliebtes Touristenziel, hauptsächlich der Aussicht wegen, die man von dort aus über den Bluemull Sound und auf Yell hat. An diesem Tag jedoch war ich allein, als ich um die Ruine herumging und über die Bucht blickte. Obwohl der Wind abgeflaut war, schlugen die Wellen, die er hinter sich zurückgelassen hatte, noch immer ziemlich hoch. Fürs Segeln wären das äußerst unangenehme Bedingungen gewesen; nicht dass ich das Verlangen verspürte, wieder in ein Boot zu steigen.
    Ãœberall um mich herum waren Hunderte von Seevögeln, für die diese Inseln berühmt sind, hockten auf Steinen, flogen von Felsen auf, tanzten und segelten in der Brise dahin. Dreizehenmöwen, Basstölpel, Eissturmvögel, Seeschwalben und Raubmöwen glitten kreischend um meinen Kopf herum. Als ich sie beobachtete und den Kopf hierhin und dorthin drehte, schien eine Erregung sie erfasst zu haben. Dann stürzten sie sich plötzlich wie ein einziges Lebewesen senkrecht in die Bucht hinab und auf einen Schwarm Aale. Ein wilder Tanz begann, während sie jagten, kämpften, fraßen und stritten.
    Ich überlegte gerade, ob ich die Energie aufbringen könnte,
nach Uyeasound zu gehen und einen Kaffee zu trinken, als mir der Menhir auffiel, der keine zehn Meter von der Straße entfernt stand. Der senkrechte Hinkelstein ist ungefähr vier Meter hoch, ganz leicht geneigt und von blassgrauen Flechten bedeckt. Ich schlenderte hinüber, mehr um Zeit totzuschlagen als aus irgendeinem anderen Grund. Der Stein war glatt – mit Ausnahme der Linien, die in ihn eingemeißelt worden waren. Nicht genau die gleichen Zeichen, doch ähnlich genug, dass ich mit ziemlicher Sicherheit damit rechnete, sie in dem Runenalphabet in Danas Bibliotheksbuch zu finden. Noch mehr Runen. Ich wusste nicht recht, ob mich das noch interessierte, trotzdem war es sehr viel einfacher, über Runen nachzugrübeln als über Duncan.
    Ich machte mich wieder auf den Weg und ging die Straße entlang. Zehn Minuten später klingelte mein Telefon. Es war Dana.
    Â»Ich habe von dem Unfall gehört. Alles okay?«
    Â»Ja, alles in Ordnung«, erwiderte ich, denn das sagt man doch immer, oder? »Wie können Sie denn davon erfahren …?« Die Verbindung begann zu knistern, und ich blieb ruhig stehen. Das Knistern hörte auf.
    Â»â€¦ auf dem Revier den Bericht von der Küstenwache gesehen und den Namen erkannt. Hören Sie, kann ich irgendetwas tun? Möchten Sie, dass ich nach Unst komme?«
    Ich war gerührt. Und einen Augenblick lang hätte ich alles für ihre Gesellschaft gegeben, doch ich wusste, dass das geradezu lachhaft egoistisch gewesen wäre. Dana hatte viel zu viel zu tun, um herzukommen und den Babysitter für mich zu spielen. Ich ging weiter.
    Â»Danke, aber die Schwiegerbande kümmert sich um mich. Gibt’s was Neues?
    Â»In gewisser Hinsicht schon. Ich hatte sowieso vor, Sie anzurufen. Können Sie gerade ungestört reden?«
    Ich schaute mich um, sah einen Stein und ließ mich daraufplumpsen. »Ja, schießen Sie los. Allerdings weiß ich nicht, wie lange wir hier noch ein Netz haben.«

    Â»Ich habe mich noch mal mit dem Arzt von Melissa Gair unterhalten. Ich wollte etwas überprüfen, was er mir erzählt hat.«
    Â»Weiter.«
    Â»Er hat gesagt, der Knoten in Melissas Brust hätte zwar definitiv näher untersucht werden müssen, hätte ihm aber damals gar nicht so viel Kopfzerbrechen bereitet. Schlimmstenfalls, hatte er gedacht, wäre es ein maligner Tumor im Anfangsstadium. Er meinte, er wäre völlig verblüfft gewesen, als er so kurze Zeit darauf von ihrem Tod erfuhr. Er hat nicht gesagt, es wäre unmöglich, aber ich hatte das deutliche Gefühl, dass er genau darauf hinauswollte.«
    Der Wind frischte auf; ich zog meine Jacke enger um meinen Hals. »Und Sie wollen wissen, was ich davon halte?«
    Â»Ja«, bestätigte sie nicht eben geduldig. »Was denken Sie?«
    Â»Na ja, es wäre auf jeden Fall sehr ungewöhnlich«, antwortete ich. »Aber manchmal läuft es so. Vielleicht hat Melissa den Knoten nicht gleich entdeckt, er könnte also eine ganze Weile gewachsen sein, bevor sie überhaupt zum Arzt ging. Vielleicht hat der nicht gemerkt, wie weit sich der Krebs schon ausgebreitet hatte.«
    Â»Also nicht

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