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Todesopfer

Todesopfer

Titel: Todesopfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sharon Bolton
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abergläubisch, doch als ich das las, lief es mir kalt über den Rücken.
    Andere Geschichten berichteten von Frauen, die man im
Zwielicht draußen hatte herumlaufen sehen, während sie zur selben Zeit friedlich daheim in ihren Betten gestorben waren. Ich las, dass die Trows jedes Mal, wenn sie etwas stahlen, eine genaue Replik des entwendeten Gegenstandes zurückließen, einen sogenannten Stock . Raubten sie einen Menschen, so hinterließen sie ein Ebenbild, eine Erscheinung . Ich schlug »Erscheinung« im Folklore-Lexikon nach: »Eine geisterhafte Kreatur«, hieß es dort, »wenig mehr als ein Gespenst, jedoch von großer äußerlicher Ähnlichkeit mit einem Menschen.« Richards Arbeitszimmer lag an der Ostseite des Hauses, und so spät am Tag fand kein Sonnenstrahl den Weg durch die großen Fenster. Ich spürte, dass ich zitterte.
    In Bezug auf Unst fand ich keine Berichte von boshaften, hobbitartigen Geschöpfen. Stattdessen wurden mehrmals kurz die Kunal Trows oder Königstrows erwähnt: Wesen von menschlichem Äußeren, jedoch mit gewaltiger Kraft, unnatürlich langer Lebensdauer und beträchtlichen übernatürlichen Fähigkeiten ausgestattet, einschließlich denen zu hypnotisieren und sich unsichtbar zu machen.
    In einem Buch wurden die Kunal Trows als eine Männerrasse beschrieben, die keine weiblichen Kinder zeugen konnte. Um sich zu vermehren, raubten sie Menschenfrauen und ließen an ihrer statt Ebenbilder zurück. Die Kinder, die aus diesen Vereinigungen hervorgingen, waren stets starke, gesunde Söhne. Und doch starben die Mütter neun Tage nach der Niederkunft.
    Ich stieß auf mehrere Verweise auf das Buch einer schottischen Autorin, die allgemein als die Expertin für die Kunal Trows von Unst galt. Bestimmt besaß Richard ein Exemplar davon, doch es war nirgends zu sehen.
    Nun ja, das war ja alles sehr interessant, doch es half mir nicht weiter dabei, meine Runen als Trowiezeichen zu deuten.
    Zuvor hatte ich ein Exemplar genau jenes Buches gefunden, das Dana sich aus der Bibliothek von Lerwick geliehen hatte. Ich nahm es wieder zur Hand und schlug das Vorwort auf.

    Â 
    Runen sind die Sprache des Lebens: Sie heilen, sie segnen, sie bringen Weisheit. Sie richten keinen Schaden an.
    Â 
    Ich fragte mich, was Melissa Gair wohl dazu gesagt hätte.
    Richard hatte behauptet, dass man verschiedene Auslegungen der Runen finden könne. Dana und ich hatten den Deutungen, die das Buch lieferte, keinen Sinn entnehmen können, aber vielleicht wusste Richard ja noch andere. Ich hatte Bezirksbibliotheken in London mit weniger Büchern gesehen. Es war der größte Raum des Hauses, und jede Wand wies vom Boden bis zur Decke Regale aus dunklem Eichenholz auf, vollgestellt mit Büchern. Auf den unteren Regalbrettern türmten sich lederbezogene Kästen, jeder mit Richards sauberer, winziger Handschrift versehen. Der erste, in den ich hineinschaute, enthielt mehrere dünne Taschenbücher über den Dialekt der Shetlands. Ich traute mich nicht recht, noch in den anderen herumzustöbern. Hier drinnen angetroffen zu werden, während ich mir Bücher ansah, war eine Sache, dabei entdeckt zu werden, wie ich Kästen voller Papiere durchwühlte, war etwas ganz anderes. Dann entdeckte ich es: einen Kasten ganz unten in dem Stapel, mit der Aufschrift Runenschriften und Alphabete. In diesem Augenblick ging die Tür auf.
    Ich zwang mich dazu, mich langsam umzudrehen und zu lächeln. Richard stand im Türrahmen. Er konnte gerade noch eintreten, ohne den Kopf einzuziehen.
    Â»Kann ich dir helfen, irgendetwas zu finden?« Er war draußen unterwegs gewesen und brachte den Geruch des Moors mit. Mir fiel auf, dass er noch immer Stiefel und Jacke trug.
    Â»Vielleicht etwas Leichtes«, antwortete ich. »Falls ich nicht schlafen kann.«
    Â»Mrs. Gaskell ist wahrscheinlich das, was einem Liebesroman am nächsten kommt«, meinte er. »Oder vielleicht Wilkie Collins, der ist normalerweise gut in Sachen seichter Nervenkitzel.«
    Ich stand auf. »Wieso hast du eigentlich nie erwähnt, dass du im Franklin Stone Hospital gearbeitet hast?«
    Er zuckte nicht. »Hätte dich das interessiert?«

    Ich starrte ihn an, mehr als bereit für einen Streit. »Hast du mir meinen Job besorgt? Hast du bei deinem Protegé ein gutes Wort für mich eingelegt?«
    Ich beobachtete ihn genau. »Nein«,

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