Todesopfer
kleiner weiÃer Pillen, in Plastik und Alufolie eingeschweiÃt. Desogestrel. Der Name kam mir bekannt vor, doch ich konnte ihn nicht einordnen. Ich hatte nicht gewusst, dass bei Duncan irgendein Befund vorlag, der eine tägliche Tabletteneinnahme erforderlich machte, aber andererseits fand ich an diesem Abend eine ganze Menge über Duncan heraus.
Ich nahm zwei Ibuprofen, stellte Duncans Toilettenbeutel aufs Fensterbrett zurück und ging wieder ins Bett, wobei ich mich auf eine schlaflose Nacht gefasst machte. Ich glaube, ich schlief innerhalb weniger Minuten ein.
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Duncan kam nicht ins Bett. Ich weià nicht, was ich zu ihm gesagt hätte, wenn er es getan hätte. Irgendwann im Lauf der Nacht wachte ich auf. Er stand an meinem Bett und schaute auf mich herab. Ich rührte mich nicht. Er bückte sich, streichelte das Haar, das über meiner Schläfe lag, und ging wieder hinaus.
Kurz vor dem Morgengrauen, als das trübe graue Licht drauÃen anfing, Farbe anzunehmen, erwachte ich, und der erste Gedanke in meinem Kopf war, dass ich wusste, was Desogestrel war. Wäre ich Herrin meiner Sinne gewesen, hätte ich es sofort erkannt. Desogestrel ist ein synthetisches Hormon, das den Testosteronspiegel im Körper des Mannes senkt und so die Spermienproduktion hemmt. Seit mehreren Jahren wird es bei klinischen Studien eingesetzt, die darauf abzielen, die perfekte Pille für den Mann zu entwickeln. In Verbindung mit regelmäÃigen Testosteroninjektionen, um das Gleichgewicht im männlichen Körper aufrechtzuerhalten,
hat es sich als durchaus wirksam erwiesen. Zwar war es noch nicht auf dem Markt, doch das konnte nur noch eine Frage der Zeit sein.
Duncan war seiner Zeit anscheinend voraus. Und ich hatte den Grund dafür gefunden, warum ich, nachdem wir es zwei Jahre lang versucht hatten, nicht schwanger geworden war.
21
»Mittwoch bin ich wieder zurück, allerspätestens Donnerstag«, sagte Duncan.
»Okay«, antwortete ich, ohne mich umzudrehen. Ich hatte einen Sessel ans Fenster gezogen und betrachtete das Moor hinter dem Haus. Das Heidekraut fing gerade an zu blühen und überzog die Hügel mit einem satten, weinroten Schimmer. Der Regen hatte aufgehört, doch am Himmel hingen schwere Wolken, und ihre Schatten krallten sich in das Moor wie die Klauen eines Tigers in seine Beute.
»Nächstes Wochenende sind wir wieder zu Hause«, fuhr er fort. »Vielleicht können wir dann ja mal versuchen, den Garten auf Vordermann zu bringen.«
»Meinetwegen.« Ich sah zu, wie ein Schwarm schneeweiÃer Vögel mit grauen Flügeln in Keilformation am Fenster vorbeiflog.
Duncan kniete neben mir nieder. Ich fühlte, wie mir eine Träne die Wange hinunterrollte, doch wenn ich weiter starr geradeaus schaute, würde er sie nicht sehen.
»Tora, ich kann dich nicht mitnehmen. Dad sagt, du bist noch nicht reisefähig, und ich habe die nächsten Tage eine Besprechung nach der anderen. Ich könnte mich nicht um dich â«
»Ich will ja auch gar nicht mitkommen«, sagte ich.
Er nahm meine Hand. Ich lieà es zu, erwiderte jedoch den Druck nicht.
»Es tut mir leid, Liebling«, beteuerte er. »Es tut mir wirklich leid, was du alles durchmachen musst.«
Ganz bestimmt, dachte ich, brachte es jedoch nicht über mich, es laut zu sagen. Ich konnte die wenigen bitteren Worte nicht aussprechen, die alles ans Tageslicht bringen würden. Eigentlich verdrängte ich das Ganze nicht; ich brauchte es nur nicht von ihm zu hören.
Er blieb noch ein paar Minuten, dann küsste er mich auf den Scheitel und ging. Ich hörte, wie der Motor ansprang und dann verklang, als er die KlippenstraÃe entlang davonfuhr, zur Fähre hinunter.
SchlieÃlich zwang ich mich aufzustehen; mir war klar, dass ich nicht den ganzen Tag im Haus bleiben und mir den Kopf über Duncan und meine nunmehr höchst ungewisse Zukunft zerbrechen konnte. Offiziell für krank erklärt oder nicht, ich würde jetzt einen Spaziergang machen. Ich zog mich an und ging nach unten. Zum Glück war nur Elspeth in der Küche. Richard hätte vielleicht versucht, mich davon abzuhalten, das Haus zu verlassen.
Den ersten Kilometer folgte ich der KüstenstraÃe nach Süden. Als die StraÃe ins Landesinnere abbog, auf Ueyasound zu, machte ich einen Umweg, um den Hügel von Burragarth herum zur St. Olafâs Kirk am Lunda Wick. Im 12.
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