Todespakt
alles in mich hineingesteckt hat, aber es war sicher nicht nur sein verdammter Schwanz!«
Ein Wimmern erklang im Hintergrund, und Rokko registrierte aus den Augenwinkeln heraus, dass dieser Laut von Heike Neuroth kam. Sie hatte ihr Gesicht auf die Brust ihres Mannes gedrückt, der ihren schluchzenden Körper umarmte. Auch ihm standen die Tränen in den Augen. Rokko wollte etwas sagen, doch er brachte kein Wort heraus. Er hatte den Tathergang bereits dem Polizeibericht entnommen, doch die Einzelheiten aus der persönlichen Sicht der Betroffenen geschildert zu bekommen, und das Leid des Opfers und der Angehörigen hautnah zu spüren, war eine Erfahrung, auf die einen kein Bericht dieser Welt vorbereiten konnte.
»Irgendwann habe ich das Bewusstsein verloren«, fuhr Lara nach eindringlichen Sekunden des Schweigens fort. »Vermutlich hat mir dieser Umstand das Leben gerettet, denn anscheinend ging Nowak davon aus, dass ich tot war. Ansonsten hätte er mich sicher nicht dort liegenlassen. Obwohl ich nicht glaube, dass er noch rational denken konnte, als er endlich mit mir fertig war. Höchstwahrscheinlich wäre ich verblutet, wenn mich in den Morgenstunden nicht ein verirrter Spaziergänger dort gefunden hätte. Ich habe Jahre gebraucht, um diesem Menschen dafür dankbar sein zu können, dass er den Notarzt verständigt und mir das Leben gerettet hat. Denn ich habe mir immer wieder gewünscht, ich wäre auf dieser Wiese gestorben.« Sie zog ein Taschentuch aus ihrer Arbeitshose, die nach Tiergehege roch, und schnäuzte ihre zierliche Nase. »Ich habe Daniel Nowak irgendwann vergeben, nicht zuletzt, weil es auch meine eigene Schuld und Dummheit war, die dazu geführt hat. Dass er tot ist, tut mir nicht leid, aber ich freue mich auch nicht darüber, denn es ändert nichts an meiner Situation. Ich will das alles nur vergessen, und das hier hilft mir ein wenig dabei.« Sie hielt das künstliche Ohr in die Höhe und atmete durch, als könne sie dadurch diese Erinnerungen abstreifen. Dann befestigte sie die Prothese mit einer gekonnten Bewegung, die verdeutlichte, dass dies eine vertraute Handlung für sie war, wieder in der Verankerung schräg unter ihrer Schläfe und strich sich die Haare nach vorn. »Diese Maskerade erlaubt es mir, mich im Spiegel betrachten zu können, ohne vor mir selbst zu erschrecken. Und sie ermöglicht es mir auch, ein wenig von der lebenslustigen Frau wiederzuentdecken, die ich einmal gewesen bin. Und obwohl ich genau weiß, dass es diese Frau nicht mehr gibt, tue ich mein Bestes, aus ihren Fehlern zu lernen und mich nicht mehr Situationen auszusetzen, die mein eigenes Leben oder das meiner Familie zerstören könnten. Es tut mir leid, dass wir Ihnen nicht helfen konnten, aber Sie müssen Ihren Täter woanders suchen.«
Mit diesen Worten ging sie zu ihren Eltern, die sie weinend in die Arme schlossen.
8
»Langsam fange ich an zu verstehen, weshalb jemand einen solchen Hass auf Nowak gehabt hat«, kommentierte Chris den Bericht seiner beiden Kollegen.
»Ja«, erwiderte Rokko, der mittlerweile wieder auf einem Kaugummi kaute, »aber ich denke, wir können den Vater oder ein anderes Mitglied der Familie als Täter ausschließen. Diese Leute wollen nur vergessen.«
»Was ist mit diesem Freund, wie heißt er doch gleich?«
»Andreas Hastrich«, las Gerlach von seinen Notizen ab. »In unserer Datenbank taucht der Name nicht auf. Zum Glück hatte Lara Neuroth aber noch ein Klassenfoto, auf dem auch Hastrich abgebildet ist. Ich habe daraufhin die gängigen sozialen Netzwerke durchsucht und ihn auf Facebook gefunden. Laut seinen dortigen Angaben studiert er zur Zeit Politikwissenschaft an der Uni in Regensburg.«
»Hast du das überprüft?«
»Natürlich«, sagte Gerlach. »Die Uni hat bestätigt, dass er dort eingeschrieben ist. Auf die offizielle Bestätigung des dortigen Einwohnermeldeamtes warte ich noch. Es scheint allerdings, als könnten wir ihn als direkten Täter ausschließen.«
»Überprüf diesen Hastrich trotzdem, nur um sicherzugehen.«
»Was hat deine Unterredung mit diesem Reporter ergeben?«, fragte Rokko.
»Bondek wird noch heute einen Artikel über die beiden Fälle verfassen, wobei ich ihn gebeten habe, die Morde vorerst unabhängig voneinander zu behandeln. Auch wird er ein Foto des ersten Opfers veröffentlichen und um Hinweise bitten. Der Artikel wird noch in der morgigen Ausgabe erscheinen.«
»Das ist doch schon mal was«, meinte Rokko. »Ich denke, das
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