Todesqual: Thriller
warf noch einen Blick in die Akte, die sie in der untersten rechten Schublade gefunden hatten. Burell führte Buch über die dreiundzwanzig Frauen, die er dafür bezahlte, dass sie mit ihm schliefen. Porträtfotos waren ebenso dabei wie Kontaktdaten und Aufzeichnungen, wann der letzte Aidstest stattgefunden hatte. Jede dieser dreiundzwanzig Frauen bekam alle drei bis vier Wochen ein Gehalt. Einige verdienten mehr als andere. Die Berufsbezeichnung lautete in allen Fällen Beraterin . Das Honorar für eine Stunde mit Burell vor der Kamera betrug tausend Dollar. Obwohl die Adressen echt zu sein schienen, waren die Frauen nur mit ihren Künstlernamen aufgeführt. Nachdem Lena und Novak das gesamte Büro durchsucht und Burells Scheckbuch gesichtet hatten, wurde ihnen klar, dass es nicht seine Art gewesen war, bürgerliche Namen zu benutzen oder gar zu dokumentieren. Die Frauen erhielten Schecks von Charles Burell Enterprises, ausgestellt auf den Überbringer.
Lena blickte durch die Tür in den Keller. Burells Leiche war vor zwei Stunden abtransportiert worden und schien noch immer zu zwinkern, als man sie in einem Leichensack verstaute. Inzwischen packten die Kriminaltechniker ihre Sachen. Der Verbleib von Burells Geschlechtsorganen blieb weiterhin ein Geheimnis. Wie immer in diesem Fall ließ sich zwar der Tathergang rekonstruieren, doch von Hinweisen auf den Täter fehlte jede Spur. Keine Fingerabdrücke. Keine Haare oder Textilfasern. Nur die Mordwaffen: zwölf Dosen Viagra und ein dreißg Zentimeter langes Messer, das Novak in der Geschirrspülmaschine entdeckt hatte.
Sie liefen ins Leere. Bis jetzt, dachte Lena. Bis Romeo Burell ermordet hatte, sodass allmählich ein Bild entstand. Nicht nur ein Eindruck davon, was geschehen war, sondern der Hauch eines Warum .
»Wir jagen keinen Serienmörder, oder, Hank? Romeo ist wütend. Er ist geisteskrank. Aber aller Wahrscheinlichkeit nach war keiner dieser Morde zufällig.«
Novaks Augen funkelten im Dämmerlicht. »Ich glaube, wir sehen endlich Licht am Horizont. Die Blondine wohnt in Santa Monica. Lass uns mit ihr anfangen.«
43
B arbie Beckons hieß mit bürgerlichem Namen Esther Ludina, war vierundzwanzig Jahre alt und von Moskau nach Tijuana ausgewandert. Inzwischen lebte sie in einer Zweizimmer-Eigentumswohnung an der Ecke Eleventh Street und Ocean Park Boulevard in Santa Monica. Sie wog schätzungsweise fünfundvierzig Kilo und ragte mit Stilettoabsätzen etwa einen Meter fünfundsechzig aus dem Boden. Bekleidet war sie mit hautengen Jeans und einer tief ausgeschnittenen halb durchsichtigen Bluse, auf die ihr Künstlername aufgestickt war.
Ludina war zu einem inoffiziellen Gespräch bereit und legte eine Offenheit an den Tag, mit der Lena nicht gerechnet hätte. Obwohl die beiden Detectives sich auf der Fahrt eine einigermaßen präzise Beschreibung von Romeo zurechtgelegt hatten, hatte Ludina allerdings nicht viel Sachdienliches beizutragen. Sie erbot sich nur, ihr rüschiges Oberteil auszuziehen, um den Besuchern ihren Silikonbusen zu zeigen.
Ja, sie kenne viele Männer, die mit Gewichten trainierten und – wie sie es nannte – »Mädchenhaut« hätten. Das gehöre in diesem Job dazu. Die Hälfte dieser Männer habe sogar einen englischen Namen und sei groß gewachsen. Aber kahl sei keiner, das gehe in ihrer Branche nicht. Auch wenn ein kahler Schädel im wirklichen Leben sexy sein könne, reflektiere er im Scheinwerferlicht zu sehr, erklärte sie. Das sehe vor der Kamera gar nicht gut aus, wie sie sowohl als Schauspielerin als auch als Regisseurin ihres ersten nicht jugendfreien Films mit dem Titel Barbie und die drei Kens festgestellt habe. Gar nicht gut, wiederholte sie mit russischer Verve. Männer kauften diesen Mist doch, um sich die Mädchen anzuschauen, nicht den kahlen Schädel eines Kerls.
Lena hakte ihren Namen auf der Liste ab, und sie gingen wieder zum Auto. Während Novak losfuhr, suchte sie die nächste Darstellerin auf Burells Akte heraus und nannte die Adresse. Von den dreiundzwanzig Frauen auf der Webseite lebten alle bis auf eine Handvoll in Romeos Wirkungsbereich.
Konzentriert arbeiteten sie die Liste ab und hatten bis zum Abend die Hälfte der Frauen befragt. Fünf von ihnen waren zu Hause gewesen. Sechs hatten sie am Mobiltelefon erreicht. Alle waren so schnell zu einem Treffen bereit, dass Lena fast vermutete, sie hätten auf den Anruf gewartet. Außerdem redeten alle frei von der Leber weg. Als bei Nummer zwölf der Fernseher
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