Todesqual: Thriller
dort ist malerisch.«
Harriet nickte lächelnd und schien seine Erklärung zu glauben. Fellows deutete das als ein weiteres Zeichen dafür, dass das Drehbuch vorherbestimmt war und dass alle Dinge aus einem bestimmten Grund geschahen.
Vor zwanzig Minuten hatte er voller Zorn vor dem Haus geparkt, in dem sie wohnte. Er wusste, dass es der letzte Schritt war. Als sie herauskam und ihn in seinem Taurus entdeckte, zügelte er seine Wut und erklärte, er sei gerade erst angekommen und habe ihr einen Besuch abstatten wollen. Er habe sich Sorgen um sie gemacht, sagte er. Weil sie nicht zur Arbeit gekommen sei. Schließlich lebten sie in einer gefährlichen Welt.
»Meinen Sie, Ihr Freund hat Wodka im Haus?«, erkundigte sie sich. »Ich könnte heute einen Drink gebrauchen.«
Er nickte und rang um Beherrschung. Seine Überraschung, weil sie nicht vor ihm geflohen war, hatte sich noch nicht gelegt. Dass sie widerstandslos eingestiegen war, konnte er immer noch nicht fassen. Schließlich war er Romeo, und Romeo hatte jetzt eine andere Frau.
Er sog den Geruch ihres Körpers ein und warf beim Fahren hin und wieder einen verstohlenen Blick auf ihre Beine und das kurze Kleid.
»Offenbar gefallen Ihnen meine Beine, Martin. Sie schauen sie ständig an.«
Eine Weile herrschte Schweigen. Fellows schaute geradeaus, um bloß keinen Unfall zu bauen. Diesen Tonfall kannte er noch nicht bei ihr. Ihre Stimme klang leise und rau, fast wie ein Flüstern, und in den Worten selbst schwang Verheißung mit.
»Im Labor treiben wir unsere Spielchen«, meinte sie. »Mir macht das Spaß. So geht der Tag schneller vorbei. Aber ich merke, wie Sie mich ansehen. Ich weiß, was Sie wirklich wollen.«
Als er sie ansah, spielte ein träges Lächeln um ihre Lippen. Im nächsten Moment spreizte sie die Beine, als trüge sie bequeme Jeans.
Die Situation entwickelte sich komplizierter als gedacht. Vielleicht brauchte er ein wenig Abstand.
Obwohl sein Freund und Trainingspartner heute nicht dabei sein konnte, hatte er sich genau an Finns Anweisungen gehalten und sich einen Plan zurechtgelegt. Jeden Schritt hatte er im Voraus bedacht, und er war fest entschlossen, keinen Millimeter davon abzuweichen. Er hatte sich sogar eine Reihe von Alternativszenarien zurechtgelegt, nur für den Fall, dass etwas dazwischenkam.
Während er am Beachwood Canyon links abbog, suchte er nach einer Lösung des Konflikts. Nach dem Supermarkt, anderthalb Kilometer den Canyon hinauf, bog er wieder links ab und folgte der schmalen Straße einen steilen Hügel hinauf. Da Harriet wortlos die Häuser bewunderte, hatte er Zeit zum Nachdenken. Sie war am Ende, sagte er sich immer wieder. Es war aus und vorbei mit ihr. Finn hatte ihm doch erklärt, dass er sich wegen einer Hure ins Zeug gelegt habe, die ein Doppelleben führte, unrettbar verloren sei, ihn nicht liebte und ihn auch nie lieben würde. Nun war es Zeit, einen Schlussstrich zu ziehen und ein neues Kapitel aufzuschlagen. Er musste sie wegschaffen und für immer loswerden. Außerdem begann ihr Geburtstag erst um Mitternacht, und sie hatten eine gemeinsame Geschichte, die er nicht einfach missachten durfte. Er hatte sogar ein Geschenk für sie. Fellows spürte, wie es sich durch seine Jackentasche bohrte – immer noch gefroren und in Alufolie gewickelt. Mit diesem Geschenk wollte er sie überraschen. Er freute sich auf ihren Gesichtsausdruck, wenn ihr klar wurde, was sie da vor sich hatte.
Fellows stellte den Taurus im Carport ab und beobachtete sie beim Aussteigen. Sie stand am Fuße der Treppe unter der Straßenlaterne. Der Wind zauste ihr Haar, und sie sah gut aus. Sehr gut. So, als ob jemand diese Nacht Glück haben würde, jetzt, da Burell tot war.
»Die Treppe hinauf«, sagte er. »Stört Sie der Wind?«
Sie schüttelte den Kopf. Ihre Augen funkelten. »Mir gefällt er.«
Sie hielt sich am Treppengeländer fest und ging die Stufen hinauf. Als er ihr folgte, musste er daran denken, dass sie sicher auch etwas im Schilde führte. Seine Phantasie spielte ihm keinen Streich. Sie war zwar eine Hure, und er war ein Narr – doch sie war dennoch hinreißend, während er idiotisch blieb. Er wurde den Gedanken nicht los. Als sie die Eingangstür erreichten, hatte er die Szene bis zu ihrem aus wissenschaftlicher Sicht zwingenden Ende durchgespielt. Für Harriet war er nichts weiter als ein Ersatz für Burell, ein Niemand und durch glückliche Umstände zur zweiten Geige aufgestiegen. Nicht er bestimmte die Situation,
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