Todesqual: Thriller
»Kann sein. Aber ich glaube nicht, dass ich mir ein Haus, ein Auto oder sonst etwas Materielles wünschen würde. Eher einen Menschen. Oder einen anderen Job, um hier rauszukommen?«
»Rauszukommen?«
»Als ich jünger war, wollte ich das.«
»Wegen deinem Daddy«, sagte er.
Sie nickte. Nun sah sie eher traurig als beschwingt aus. Vielleicht erinnerte sie sich an den sexuellen Missbrauch oder an das gebrochene Bein, weil ihr Vater sie die Treppe hinuntergestoßen hatte. Etwas überkam Fellows, und er küsste sie – auf den Hals, die Wange und schließlich auch auf den offenen Mund. Als er die Augen schloss, erschien an weiteres Bild von Lena, und er griff danach. Der Gejagte küsste die Jägerin. Oder war es umgekehrt? Jedenfalls gefiel ihm die Vorstellung sehr. Und Harriet Wilson, die entthronte Jungfrau Maria, die Frau, die es scharfmachte, wenn Charles Burell es ihr vor den Augen der gesamten Internetgemeinde von hinten besorgte, schien nichts davon zu ahnen.
Als er die Augen aufschlug, spürte er, wie sie ihn berührte. Ihn drückte. Es war die erfahrene Hand eines Profis.
»Hast du dir je etwas gewünscht?«, flüsterte er. »Es auch bekommen und dann bemerkt, dass der Zeitpunkt der falsche war und es zu spät kam? Dass du es eigentlich gar nicht mehr wolltest? Und als es doch eintraf, fühltest du dich davon nur belastet und angewidert? Beim bloßen Gedanken ist dir übel geworden.«
Sie ließ die Hand sinken und kicherte wieder. Diesmal ein wenig nervös. Leicht verunsichert griff sie nach ihrem Glas.
»Möchtest du noch etwas trinken?«, fragte sie. »Dann können wir uns ja aufs Sofa setzen.«
Er nickte mit argwöhnischem Blick. Der Moment rückte näher. Das Drehbuch stand fest, und alle Dinge geschahen aus einem bestimmten Grund.
Sie nahm sein Glas. Fellows folgte ihr in die Küche. Während sie einschenkte, öffnete er die Kellertür, beschloss aber, dass es einfacher sein würde, wenn er kein Licht machte. Ein Moment verging; wirre Gedanken stürmten auf ihn ein. Als sie sich zu ihm umdrehte, ließ er sich sein Glas reichen und stieß mit ihr an.
»Was ist da unten?«, fragte sie.
Ihre Augen weiteten sich. Sie lächelte. Er sah zu, wie ihr Mund den Alkohol aufsaugte.
»Deine Geburtstagsfeier«, erwiderte er.
Der Moment war da. Alles blieb stehen, als er die Hand nach ihrem Hals ausstreckte und ihr einen kräftigen Schubs versetzte. Polternd fiel sie die Stufen hinunter, und er blickte ihr nach, als sie in der Dunkelheit verschwand. Ein dumpfes Geräusch, ein Aufstöhnen und schließlich Stille. Fellows empfand zwar einen Anflug von Bedauern, allerdings nur einen kleinen, denn er wusste, dass sie so etwas ja schon kannte.
Kurz machte er Licht, um sie verkrümmt auf dem Betonboden liegen zu sehen. Sie atmete noch. Er schaute auf die Uhr. Es war nach Mitternacht. Harriet Wilson war neunundzwanzig Jahre alt.
Er beschloss, dass das Geschenk bis später warten konnte.
Nachdem er sich innerlich beruhigt hatte, kippte er seinen Drink ins Spülbecken und schenkte sich ein Glas Mineralwasser ein. Die klare Flüssigkeit war erfrischend, und er gönnte sich einige Minuten, um den kühlen, reinen Geschmack zu genießen, während er aus dem Fenster blickte und die Aussicht bewunderte.
51
L ena hörte Stimmen, die in Wellen den Nebel durchdrangen. Sie versuchte, sie einzuordnen und sich zu konzentrieren, verstand aber kein Wort. Zwei oder drei Männer, und alle sprachen Spanisch. Sie waren ganz in der Nähe. So nah, dass Lena fast glaubte, sie stünden direkt vor ihrem Bett und hätten ihr beim Schlafen zugeschaut.
Ruckartig schlug sie die Augen auf. Als sie aus dem Fenster schaute, wurde ihr klar, dass da etwas im Argen lag. Die drei Männer standen am Ende der Auffahrt neben ihrem Auto. Lena kannte sie vom Sehen, weil sie in der Nachbarschaft den Rasen mähten. Nun starrten sie mit besorgten Mienen auf ihr Haus.
Lena schleuderte die Decke beiseite und schlüpfte in ihre Jeans. Barfuß hastete sie aus dem Zimmer, schloss die Schiebetür auf und trat in den Wind hinaus. Brandgeruch lag in der Luft. Als sie in den östlichen Himmel hinaufblickte, bemerkte sie die Rauchwolke über der Stadt. Gestern war es nur ein Buschfeuer gewesen. Doch da die Santa-Ana-Winde immer noch wehten, waren nun die Häuser der Einwohner von La Crescenta in Gefahr.
Sie hastete die Stufen hinunter. Zwei Sperrholzplatten trieben im Pool, und der Rasen war mit Dachziegeln und Schutt bedeckt. Als Lena ums Haus
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