Todesqual: Thriller
ist die Nacht der Nächte. Ich werde da sein, um dich zu beobachten.«
Finn lächelte. Als Fellows noch eine Gabel Salat aß, zitterte seine Hand.
»Wie?«
»Das erzähle ich dir, wenn wir da sind«, erwiderte Finn. »Und tu mir bitte den Gefallen, nicht mit vollem Mund zu sprechen. Die Leute schauen schon.«
Am Eingang des Restaurants standen vier Tische. Fellows wandte sich um und warf einen Blick über den Rand seiner Sonnenbrille. Niemand sah in ihre Richtung. Dennoch gab er sich Mühe, den Salat wortlos zu kauen. Etwas an der Sauce war anders als sonst. Eine neue Zutat, die ihm nicht gefiel. Er fragte sich, ob womöglich das Olivenöl verdorben war. Was, wenn er jetzt krank wurde und seinem Freund die Pläne für den Abend verdarb?
»Findest du nicht, dass dich das etwas angehen sollte?« Finn klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Zeitung.
Fellows warf einen Blick auf den Artikel und trank einen Schluck Wasser. Über die gestrige Pressekonferenz der Polizei wurde auf der Titelseite berichtet. Wie Fellows sich erinnerte, hatte er gestern nach dem Training Auszüge daraus im Autoradio gehört. James Brant wurde nicht mehr des Mordes an seiner Frau verdächtigt. José López sollte eigentlich aus dem Gefängnis entlassen werden, hielt sich aber aus unbekannten Gründen noch immer im Gebäude auf. Laut Polizei wiesen die Ergebnisse des DNA-Vergleichs auf einen anderen Täter hin.
Fellows hörte auf zu lesen und blickte nachdenklich in Richtung Strand. Leider bot sich ihm keine schöne Aussicht, sondern eine, die einem das Mittagessen verderben konnte: ein Obdachloser auf Rollschuhen, der einen gestohlenen Einkaufswagen voller Müll die Strandpromenade entlangschob. Der Mann trug ein zerlumptes Hemd und eine stark verschmutzte Hose. Trotz seines mangelnden Sinns für Körperhygiene und Anstand hatte er ein Lächeln auf den Lippen. Ein breites Grinsen, das auf Wahnsinn hinwies.
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Finn. »Oder bist du anderweitig beschäftigt?«
Fellows sah dem Obdachlosen nach, der in das grelle Sonnenlicht hineinrollte und darin verschwand.
»Die DNA interessiert niemanden«, sagte er schließlich. Finn beugte sich vor und senkte die Stimme. »Es ist deine DNA, Martin.«
»Wo sie herkommt, ist egal.«
»Sie stellt einen Zusammenhang zwischen zwei Morden her. Offenbar definierst du das Wort interessant anders als ich.«
»Solange sie mich nicht haben, weist die DNA auf nichts anderes hin als auf sich selbst«, erwiderte Fellows. »Sie ist ein geschlossenes System. Außerdem ließ es sich nicht vermeiden.«
»Ich finde, dass du zu viele überflüssige Risiken eingehst. Du solltest es eigentlich besser wissen.«
»Um wie viel Uhr?«, fragte Fellows.
»Du hörst mir gar nicht zu.«
»Ich habe jedes Wort verstanden. Um wie viel Uhr?«
Finn stand auf. »Gegen zehn.«
33
S ie konnte nicht. Obwohl Novak darauf bestanden hatte, dass sie den Tatort verließ, den Tag freinahm und sich ausruhte, konnte sie nicht nach Hause fahren. Sie hatte die Tränen in den Augen ihres Partners gesehen und gehört, wie seine Stimme zitterte. Außerdem fand sie, dass er Recht hatte. Aber sie konnte einfach nicht.
Zu Hause war, wo die Erinnerungen wohnten. Das Haus, das sie früher mit ihrem Bruder geteilt hatte.
Die Ampel an der Ecke Franklin Avenue und Gower Street sprang auf Grün um. Die Entscheidung lockte. Als hinter ihr gehupt wurde, bog sie rechts ab und fuhr den Hügel hinunter zum Sunset Boulevard.
Noch immer zitterte Lena am ganzen Leib und war nicht ganz wieder in der Gegenwart angelangt. Erinnerungen waren keine Erinnerungen mehr, und die Vergangenheit lag nicht mehr hinter ihr, sondern ragte drohend vor ihr auf. Irgendwo in der Zukunft lauerte ihre persönliche Geschichte und wartete darauf, umgeschrieben und wiederverwendet zu werden.
Tim Holt war zurück nach L. A. gezogen und hatte Sally und Joe Garcia ein Haus abgekauft. Und nun waren er und seine Freundin tot.
Lena überquerte den Sunset Boulevard und bog an der Gower Gulch in den Parkplatz ein. Eine Schachtel Zigaretten im Drogeriemarkt zu kaufen dauerte nur wenige Sekunden. Ziellos strömten die Minuten vorbei, als sie bei Starbucks einen großen Kaffee, Sonderangebot des Tages, bestellte.
Es war ihre Entscheidung gewesen, sich im Cat N’ Fiddle volllaufen zu lassen, bis die Welt entweder verschwamm oder sie zwang, offenen Auges die Klinge zu schärfen und die entzündete Wunde zu betrachten. Ehe sie sich versah, saß
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