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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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ihm dann, er solle nah bei Virgil bleiben, dem sie nach den jüngsten Ereignissen wieder wesentlich mehr vertraute.
    Gerade als sie damit fertig war, Allison loszuschneiden, hörte sie ein feuchtes, eindeutig organisches Geräusch. Sie hob den Kopf und starrte auf die an der Decke hängende Pilzkolonie, an der sich die Haut eines runden, zuckermelonengroßen Elements öffnete wie die Lider eines Augapfels. Unterhalb der Membran befand sich ein menschliches Gesicht.
    Von all den unmöglichen und grotesken Dingen, die Molly seit ihrer Begegnung mit den Kojoten gesehen hatte, war dies die bizarrste, am wenigsten verständliche und verstörendste Erscheinung. Allem Abscheu zum Trotz gelang es ihr nicht, sich davon abzuwenden.
    Bei genauerer Betrachtung wurde erkennbar, dass das Gesicht im Pilz nicht dreidimensional geformt war. Die Oberfläche der Kugel zwischen den geöffneten Lidern war glatt, rund und durchsichtig, und das Gesicht schien darin zu schweben wie ein Objekt in einer Schneekugel aus Plexiglas.
    Er war das Gesicht eines Mannes mit blauen Augen und blondem Schnurrbart. Er richtete den Blick auf Molly und schien sie tatsächlich zu sehen. Mit qualvollem, flehendem Ausdruck rief er ihr etwas zu, wenn auch ohne jeden Ton.

    Dann öffnete sich die weiße Membran eines zweiten Pilzes in der Kolonie, und in der Kugel darunter erschien wieder ein Gesicht, diesmal das einer Frau. In höchster Pein stieß sie lautlose Schreie aus.
    Es waren zwar keine echten Gesichter, aber als Molly sie entsetzt und wie gelähmt betrachtete, kam ihr in den Sinn, dass es sich um das Bewusstsein von zwei Menschen handeln musste, um Gemüt und Gedächtnis von Personen, die tatsächlich gelebt hatten. Als sie gestorben waren, hatte man den Körpern ihr Bewusstsein entnommen und irgendwie in diese grässlichen Gebilde übertragen.
    Offenbar waren die weißen Pilzkolonien eine Art organisches Gefängnis, in dem das Bewusstsein der Menschen eingekerkert war, die von den neuen Herren der Erde getötet worden waren. Genauer gesagt, handelte es sich wohl um Datenspeichersysteme, in denen alle Aspekte des menschlichen Geistes aufbewahrt wurden, inklusive Gedächtnis, kognitive Funktionen und Persönlichkeit.
    Molly spürte, wie ihr hämmerndes Herz sich in ihrer Brust verkrampfte.
    Weitere Lider öffneten sich und enthüllten immer mehr Gesichter, nicht nur in der Kolonie oben an der Decke, sondern auch in der, die in der Ecke hockte; und plötzlich erkannte Molly an der Art und Weise, wie die vielen Blicke sich auf sie und die Kinder richteten, dass die Gesichter wussten , in welchem Kerker sie sich befanden. Sie wussten, wie es um sie stand, sie waren verzweifelt, und manche waren von ihrem Zustand in den Wahnsinn getrieben worden und tobten lautlos.
    Klug, wie er war, trabte Virgil in den Flur.
    Um den Kindern einen längeren Anblick des Gräuels zu ersparen, scheuchte Molly sie hinterher.
    Auf der Schwelle drehte sie sich noch einmal um und sah, wie die Lider einer bisher geschlossenen Kugel aufgingen. Sie enthüllten das Gesicht des Manns mit der Narbe,
den Molly erst vor wenigen Minuten erschossen hatte. Sein Blick richtete sich auf Molly, und seine Züge verzerrten sich vor Hass.
    Schlagartig erhielten die Gesichter Stimmen, die sich zu einem schrillen Missklang vereinten, zu einer grausigen Symphonie aus Weinen, Heulen, Schreien, Hilferufen, zornigem Gebrüll, Fluchen und irrem Lachen.
    Während Molly hinter den Kindern die Treppe hinabfloh, schoss das über dem Haus schwebende Fahrzeug davon. Hinter den Fenstern breitete sich wieder ein trübes Violett aus, und im Hausinneren wurde es dunkel.

58
    Neil wollte Mollys übel zugerichtetes, blutverkrustetes Ohr untersuchen, doch sie bestand darauf, sofort weiterzugehen. Virgil war bereits unterwegs und trottete die Straße entlang, in der Richtung, aus der sie gekommen waren.
    Diesmal marschierten die Kinder – nun waren es acht – hinter dem Hund an der Spitze der Kolonne. Molly und Neil folgten, wachsam, aber nicht mehr von nervöser Paranoia gepackt.
    »Das Einzige, wovor wir die Kinder beschützen müssen, sind Menschen«, sagte Molly. »Vor ganz gewöhnlichen Menschen, nur dass sie krank und pervertiert sind. Die Außerirdischen und alles, was sie aus ihrer Welt mitgebracht haben – all das wird den Kindern kein Haar krümmen. «
    »Woher willst du das wissen?«, fragte Neil.
    Sie wiederholte, was der Mann mit der Narbe gesagt hatte: »Kinder kann man nicht

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