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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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unterdrücken, dann sah er Molly an: »Ich und Abby, wir haben schon ein paarmal versucht rauszugehen, aber die Türen gehen nicht auf.«
    »Für uns sind sie von selbst aufgegangen«, sagte Neil.
    Der Junge schüttelte den Kopf. »Vielleicht, weil ihr reingekommen seid. Aber rauskommen?«
    Er nahm einen kleinen Topf vom Herd und schleuderte ihn mit aller Kraft an eines der Küchenfenster. Der Topf
kam mit einem lauten, hallenden Knall auf dem Glas auf, prallte jedoch ab und hinterließ die Scheibe völlig unversehrt.
    »Irgendwas Komisches passiert mit dem Haus«, sagte der Junge. »Es verändert sich. Es ist fast so, als wäre es … lebendig.«

35
    Auf dem Weg aus der Küche durch den Flur zur Haustür wurden sie begleitet von einem anschwellenden Chor hektischen Flatterns in den Wänden, einem Rascheln und Rauschen, das zunehmend drangvoller klang, als spürte die Horde, dass ihre delikate Beute entkommen wollte.
    »Sie reden«, vertraute Abby Molly an, als sie hinter Virgil aus der Küche eilten.
    »Wer denn, Schatz?«
    »Die Wände. Stimmt doch, Johnny, die reden, oder?«
    »Manchmal kann man Stimmen hören«, bestätigte der Junge.
    Sie standen vor dem Garderobenschrank und suchten nach wasserdichter Kleidung für die Kinder, falls der Regen wieder losgehen sollte. Das Brauchbarste, was zu finden war, waren warm gefütterte Nylonjacken.
    Während Abby und ihr Bruder hineinschlüpften, sagte Molly: »Ihr meint doch nicht … Stimmen auf Englisch, oder?«
    »Manchmal schon«, sagte Johnny, »Manchmal aber auch in einer anderen Sprache. Weiß auch nicht, was für eine das ist.«
    Im ganzen Haus erhob sich ein leises Ächzen, aus Bodendielen, Wandpfosten, Deckenbalken. Der Bau klang wie ein Schiff auf hoher See, das gegen die steilen Wogen einer Gewitterfront ankämpft.
    Virgil, der bisher keine Neigung zum Bellen gezeigt hatte, bellte. Nur einmal, als wollte er sagen: Los, raus hier!

    Sofort begann das Haus lauter zu ächzen. Auch die Zahl der klagenden Stimmen nahm zu. Boden, Decke, Türpfosten, Wände, alles stöhnte und knarrte. Die Leitungsrohre rasselten wie Knochen, aus dem Heizungssystem drang pfeifend und keuchend heißer Atem. Das Haus stöhnte wie ein müdes, altes Ungeheuer, das aus einem jahrhundertelangen Schlaf erwacht.
    Als Neil versuchte, die Haustür zu öffnen, schien sie verschlossen zu sein.
    »Ich hab’s gewusst «, sagte der Junge, und das Mädchen klammerte sich verzweifelt an Molly.
    Neil löste den Riegel und zerrte mit ganzer Kraft am Knauf, doch nichts geschah.
    Umgeben von Stöhnen, Ächzen, Knacken und Knarren, hatte Molly den absurden Eindruck, das Haus könnte sie packen wie ein Kieferpaar und ihren Körper zwischen den Splitterzähnen seiner zerbrochenen Balken zermalmen, sie mit der Zunge seiner Böden kosten, an den Gaumen seiner Zimmerdecken pressen und ihre zerkauten Überreste schließlich mit einem Schluck in den Keller befördern, wo die raschelnde Horde über sie herfallen würde, um ihr Fleisch in Flüssigkeit und ihre Knochen in Pulver zu verwandeln.
    Neil trat einen Schritt von der Tür weg. »Los, zurück!«, befahl er und hob die Flinte, um das widerspenstige Schloss zu zerschießen.
    Virgil trottete in die Schusslinie und scharrte mit der Pfote an der Tür – und sie schwang auf.
    Molly überlegte nicht lange, ob Neil, sonst so unerschütterlich wie ein Schiff vor Anker, einen Augenblick die Beherrschung verloren, den Türknauf in die falsche Richtung gedreht und mit einer unverschlossenen Tür gekämpft hatte oder ob der Hund über magische Fähigkeiten verfügte, die weit über das hinausreichten, was ihr bisher aufgefallen war. Sie zog Abby an sich und folgte Virgil
und Johnny aus dem Haus und die Treppenstufen hinab auf den Gartenweg.
    Als sie sich umdrehte, sah sie erleichtert, dass Neil ihr auf den Fersen folgte und nicht von dem lebendig gewordenen Gebäude eingekerkert worden war.
    Das Haus sah nicht anders aus als in dem Moment, in dem sie es zuerst erblickt hatten. Craftsman-Stil, keine Spur von Cthulhu.
    In der Stille des violetten Nebels hätte Molly erwartet, dass das Haus ächzte und stöhnte wie Edgar Allan Poes sich selbst verschlingendes Haus Usher, doch ihre Erwartungen blieben – nicht zum ersten Mal in dieser bizarren Nacht – unerfüllt, denn das Gebäude stand so still, so täuschend friedlich und zu kunstvollem Satzbau inspirierend da wie das stattliche Herrenhaus in einer Gespenstergeschichte von Henry James.
    Die Haustür schwang

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