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Todesregen

Todesregen

Titel: Todesregen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Koontz
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sie mit einem goldenen Blick. Es war nicht das gewöhnliche Leuchten von Tieraugen im Dunkeln, sondern ein Phänomen, das offenbar nur in dieser Nacht entstehen konnte – keine simple Lichtbrechung, keine Biolumineszenz, sondern etwas, das einen wundersamen Charakter hatte, ein überirdisches Strahlen.
    Verzaubert und gebannt von diesem goldenen Blick, legte Molly ihre Bedenken ab. Ihr Mund war trocken vor Zweifel, doch sie sammelte Speichel und spuckte aus. Dann trat sie über die Schwelle ins Haus.
    Neil folgte ihr, und als sie beide im Flur standen, schloss sich die Tür hinter ihnen mit einem leisen Geräusch, das beunruhigender war als ein Knall. Es war nicht Zugluft, was sie hatte zugehen lassen.
    Molly verspürte Furcht, die sich allmählich steigerte, doch sie wandte sich nicht um, um die Tür wieder aufzureißen. Es wollte, dass sie floh – was immer es sein mochte. Aber falls sie den Rückzug antrat, dann wollte sie den Zeitpunkt dafür selbst bestimmen, statt ihn sich vorschreiben zu lassen.
    Virgil war bereits damit beschäftigt, an den geschlossenen Türen und den offenen Durchgängen zu schnuppern, die sich zu beiden Seiten des Flurs befanden.
    Den Garderobenschrank fand der Hund offenbar nicht verdächtig. Molly öffnete trotzdem die Tür, und Neil stocherte
mit dem Lauf seiner Flinte zwischen den Mänteln und Jacken herum.
    Obgleich Virgil auch kein Interesse am ersten Raum, dem Arbeitszimmer, zeigte, wo die Vorhänge zugezogen waren und völlige Finsternis herrschte, leuchtete Molly mit der Taschenlampe hinein. Schatten dehnten und streckten sich, doch es waren nur die Schatten von Möbeln, denen der wandernde Lichtkegel Bewegung verlieh.
    Am Türbogen zum Wohnzimmer gab der Hund ein dünnes, beklommenes Winseln von sich.
    Im amethystfarbenen Licht des trüben Morgens, das durch die Fenster sickerte, war nichts zu erkennen, doch Molly wusste genau, was den Hund beunruhigte, denn sie hörte es auch: ein flüsterndes Geräusch, ein Rascheln und Säuseln.
    Das Licht der Taschenlampe brach sich im Glas der Bilder an der Wand, in Keramiklampen, einer Vase, einer Kristallglasschale, dem Spiegel über dem offenen Kamin. Im toten Bildschirm eines Fernsehgeräts.
    Neil folgte dem Lichtkegel mit dem Lauf seiner Flinte, doch er fand nichts, worauf er hätte schießen können.
    Das Rascheln wurde lauter und schien von allen Seiten zu kommen.
    Mit aufgestellten Ohren und gesenktem Schwanz drehte sich der Hund im Kreis.
    »Die Wände«, sagte Neil, und als Molly die Lampe auf ihn richtete, sah sie, dass er das Ohr an den Putz gelegt hatte.
    Die beiden standen links und rechts vom Türbogen, und Molly trat an ihrer Seite zur Wand und beugte sich näher, immer näher.
    Wenn man genauer hinhorchte, so war es eigentlich kein Rascheln, sondern ein trommelndes Flattern, als würde ein Schwarm von Vögeln oder fliegenden Insekten hektisch mit den Flügeln an die Rückseite der Wand schlagen.

34
    Überall, auch in den Wänden des Flurs und des Esszimmers, das Molly und Neil als Nächstes erforschten, und vielleicht auch in der Decke schlugen zahllose Flügel, nackt oder gefiedert, an die Wände ihres Gefängnisses und aneinander.
    Molly richtete die Taschenlampe auf die Gitter der Heizungsöffnungen hoch oben an den Wänden, aber in den Schlitzen flatterte nichts, was versucht hätte herauszukommen. Offenbar war die unsichtbare Horde noch nicht aus den Wänden in die Schächte des Heizungssystems vorgedrungen.
    Dies war kein Haus mehr, sondern ein Brutkasten, ein Nest für etwas, was abstoßender und gefährlicher war als Spinnen oder Kakerlaken. Molly wollte auf keinen Fall mehr da sein, wenn die erregte Horde einen Ausweg aus ihrem Gefängnis aus Holz und Gipskarton fand.
    Dem tapferen Virgil waren die Bewohner der Wände zwar unheimlich, doch er ließ sich nicht in die Flucht schlagen und führte Molly und Neil zum Ende des Flurs. Bewegt von einer unsichtbaren Hand, genau wie bei der Haustür, öffnete sich dort eine geschlossene Tür.
    Dahinter befand sich die Küche, die vom violetten Morgen kaum erhellt wurde. In der einen Hand die Pistole, in der anderen die Taschenlampe, folgte Molly dem Hund über die Schwelle. Zuerst war sie noch vorsichtiger als beim Betreten des Hauses, doch als sie die angstvollen
Schreie von Kindern hörte, stürmte sie los. Neil folgte ihr auf den Fersen.
    Ein neun- oder zehnjähriger Junge stand am Küchentisch. Virgil hatte ihn erschreckt, und er hielt einen Besen so, als wäre er ein

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