TodesReich/Todesengel (German Edition)
schließlich.
„Es
geht um die Aufklärung eines Verbrechens“, hackte Weitzeger nach.
„Ich
fürchte, ich muss dich desillusionieren“, resümierte Kowalski kalt. „Es kann
nicht alles getan werden um ein Verbrechen aufzuklären. Was meinst du, wie
viele Leichen nicht obduziert werden, obwohl die Todesursache ungeklärt ist?
Weil kein Geld dafür vorhanden ist. Sobald jemand ein bestimmtes Alter erreicht
hat, geht man davon aus, dass er eines natürlichen Todes gestorben ist, wenn
keine eindeutigen Indizien dagegen sprechen. Wir können nicht 2500
Fahrzeughalter überprüfen. Nicht mal 500.“
„Aber...“,
begann Weitzeger zu widersprechen.
„Wir
können das gesamte Bruttoinlandsprodukt Deutschlands darauf verwenden, Verbrechen
aufzuklären. Dann können wir doppelt so viele Verbrechen aufklären wie heute
und dafür 80 Millionen Menschen verhungern lassen. Ist es das, was sie wollen,
Weitzeger?“
„Nein,
aber es ist doch nicht gerecht, dass jemand ein Verbrechen begeht und damit
durchkommt.“
„Ich
habe verstümmelte und entstellte Körper gesehen. Ich habe Kinder gesehen, die
aus allen Körperöffnungen geblutet haben. Die Welt ist nicht gerecht Weitzeger
und solange Menschen über diesen Planeten wandeln wird sie nicht gerecht sein.“
„Es
wäre ihnen wohl lieber, wenn es die Menschheit nie gegeben hätte“, sagte
Weitzeger, ohne die geringste Zynik.
„Das
wäre besser für die Welt und es wäre besser für die Menschen.“
„Wie
könnte es besser für die Menschen sein, nicht zu existieren?“
„Wer
nicht existiert, kann auch nicht leiden. Er kann nicht mal bereuen nicht zu
existieren, weil er nicht existiert.“
„Sie
sind der das Glas ist halb leer Typ, nicht wahr?“
„Nein,
ich bin der das Glas ist leer Typ.“
„Warum
schenken sie sich dann nicht nach?“
„Ich
hab keine Lust die Suppe auszulöffeln.“
Sie
schrieben das Fahrzeug zur Fahndung aus. Vielleicht hatte jemand zumindest das
Bezirkskennzeichen gesehen. In Verbindung mit dem Fahrzeugtyp, würde dass die
Anzahl der Fahrzeuge massiv einschränken. Auch wenn das Ergebnis dann
vermutlich gar nichts mit ihrem Fall zu tun hatte.
Kowalski
und Weitzeger gingen indessen noch einmal den Schulweg von Nadja Stegner ab.
Weniger auf der Suche nach sachdienlichen Hinweisen, als vielmehr, um
herauszufinden, inwieweit hier die Möglichkeit bestand, unbemerkt eine Person
verschwinden zu lassen. Möglicherweise war das Mädchen ja auch freiwillig in
ein Fahrzeug gestiegen, weil sie den Insassen kannte. In 60 Prozent aller
Kindesentführungen war der Täter ein Verwandter oder Bekannter.
Das
Ergebnis war genauso eindeutig wie unaufschlussreich: Es gab genug
Möglichkeiten eines unbemerkten Verschwindens.
Es war
einer dieser Fälle, bei dem nichts in die Gänge kam und Kowalski wusste aus
Erfahrung, dass ein schlechter Start meistens das vorzeitige Ende einer
Ermittlung bedeutete. Er war nicht sicher, was ihn mehr ärgerte: Eine
Ermittlung, die weit vorangetrieben wurde und dann doch zu keinem Ergebnis
führte, oder ein Fall, der von Anfang an ein Rätsel blieb.
Meistens
war es zumindest im technischen Sinne eine Beruhigung, wenn man das Motiv einer
Tat kannte. Eine Tat, die ohne Grund geschah, war beunruhigend. Das warf Fragen
nach der Option auf, ob nicht jederzeit alles passieren konnte.
Wenn
zehn Leute, die zufällig an einem Ort zusammen kamen, ein Verbrechen begangen,
warf das die Frage nach der grundsätzlichen Struktur der Gesellschaft auf. Ein
Serienkiller konnte immer noch als Ausnahmefall abgetan werden.
Wenn
dieser junge Weitzeger nicht wäre, redete sich Kowalski ein. Dann könnte er
wenigstens einen klaren Kopf bekommen und mit Kalkül über die Sache nachdenken
und dann würde er sicher zu einer Lösung kommen, wie er weiter fortfahren
sollte, aber so.
Er
fuhr noch einmal zur Schule. „Bleiben sie hier und üben sie von mir aus, wie
man mit dem Computer eine Täterliste erstellt. Ich brauch ein wenig Ruhe zum Nachdenken.“
„Sagen
sie bloß, sie wissen nicht, wie man eine Excel-Tabelle erstellt“, rief
Weitzeger ihm hinterher, aber er ignorierte es.
Es war
gleich Unterrichtsschluss. Er wandelte vor der Schule auf dem Pausenhof hin und
her.
„Wo
bist du hin Nadja?“ murmelte er vor sich hin. „Wolltest du ausreisen? Nein,
ganz sicher nicht nach der Schule“, dachte er sich. „Du hättest die nötigen
Vorbereitungen getroffen. Hättest dein Erspartes genommen und wärst direkt von
Zuhause
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