Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
fast fünfundzwanzigjährigen Mann benahm er sich noch recht kindisch und dachte im Prinzip nur an sich.
Tapfer unterdrückte sie die Gedanken, zeigte Annabell ihr fröhliches Lächeln und prostete ihr mit ihrem Glas Rotwein zu.
„Auf einen netten Abend, und ja, es war ein äußerst zufriedenstellender Tag. Deshalb sitzen wir heute hier und ich kann es mir auch ausnahmsweise einmal leisten.“
Die Weingläser klirrten, als sie aneinander stießen. Der Wein wippte hin und her, er war kräftig und dunkelrot in der Farbe und roch wunderbar nach Kirsche. Sie nahmen einen großen Schluck, der Wein lief durch ihre Kehle in ihren Magen und hinterließ ein wohlig warmes Gefühl. Sie sahen sich an und wussten beide, wie sehr sie sich mochten. Sie verstanden sich auch ohne Worte.
„Chrissy ist tot!“ Völlig überraschend und von ihnen unbemerkt stand Charlottes Bruder plötzlich an ihrem Tisch. Erschreckt blickten sie auf. Sein beängstigender Anblick zerstörte augenblicklich ihre unbekümmerte Stimmung, die zwischen ihnen geherrscht hatte.
Charlotte starrte ihren Bruder entsetzt und ungläubig an. Sebastian zitterte am ganzen Leib. Unter seiner völlig durchnässten Kleidung zeichneten sich deutlich seine Muskeln ab und erinnerten ein wenig an einen Wet-Shirt-Contest. Sein Haar hing ihm wirr ins Gesicht und seine geschwollenen Augen blickten sie voller Verzweiflung an.
Als sein Blick auf Enzo fiel, der neugierig auf ihren Tisch zusteuerte, verwandelte sich Sebastians Gesichtsausdruck in Sekundenschnelle von gequälter Trauer in rasende Wut.
Wie besessen stürmte er auf ihn los.
„Du verdammtes Schwein“, schluchzte er, „du hast ihn umgebracht, er ist tot! Verdammt, er ist tot!“ Und er fing an, wie ein Verrückter auf Enzo einzuschlagen. „Du Mistkerl hast ihm diesen Dreck verkauft, ich weiß das.“
Enzo, chancenlos aufgrund seiner schmächtigen Statur, fiel auf der Stelle um und lag gekrümmt auf dem Boden. Er probierte erst gar nicht, sich zu wehren, sondern versuchte lediglich, die Schläge mit seinen Armen abzuhalten.
Die Gäste einschließlich Annabell und Charlotte schienen wie erstarrt. Sie alle beobachteten die unwirkliche Szene hilflos, nicht wissend, was zu tun war. Doch als Herr Rossi mit seiner Frau aus der Küche ihrem Sohn zu Hilfe eilten, löste sich ihre Verkrampfung und einige der Anwesenden halfen Herrn Rossi, den tobenden Sebastian von Enzo fortzuziehen, während Annabell und Charlotte dem bleichen und verschreckten Enzo beim Aufstehen halfen.
„Pezzo di merda! Was ist das hier?“, polterte Enzos Vater los. „Vai quel paise! Was fällt dir ein, meinen Sohn zu verprügeln und zu beschmutzen. Verschwinde hier, aber pronto. Sonst ruf ich die polizia.“
Der kleine weißhaarige Mann war außer sich vor Wut.
„Nicht nötig. Die ist schon da.“
Reiser, der unbeachtet von den Gästen kurz hinter Sebastian das Lokal in Begleitung der uniformierten Polizisten betreten hatte, zeigte ihnen seinen Dienstausweis.
Annabell nahm den Ausweis und schnalzte mit der Zunge.
„Oberkommissar Reiser. Ihr seid aber von der schnellen Truppe. Respekt, Respekt. Schneller als die Polizei erlaubt.“
Die zwei männlichen Gäste, die den jetzt schluchzenden Sebastian festhielten, zerrten ihn zum Ausgang.
Charlotte folgte ihnen, um ihrem Bruder beizustehen. Als sie ihn in die Arme nahm, fragte sie:
„Was ist passiert, Sebi? Warum ist Chris tot? Und was hat Enzo damit zu tun?“
„Ich habe ihn gefunden, in der Garage“, jammerte er unglücklich, „die Polizei ist überall. Sie wollten mir Fragen stellen. Ich bin einfach abgehauen.“ Dabei schaute er Reiser an, der ihnen gefolgt war. „Lotte, ich habe noch versucht, ihn wiederzubeleben, er war schon tot. Ich weiß nicht, warum er tot ist, aber ich glaube, er wurde ermordet. Und dieses Schwein da drinnen hat irgendwas damit zu tun, ich weiß das.“
Er wollte sich losreißen, doch seine Beine knickten ein, sodass die Männer ihn stützen mussten. Benommen ließ er den Kopf hängen. Jegliche Kraft war aus seinem Körper gewichen. Besorgt wandte sich Charlotte Reiser zu:
„Ich nehme meinen Bruder jetzt mit nach Hause. Sie können ihn später vernehmen. Ich glaube, er wird Ihnen heute nicht mehr helfen können.“
„Warten Sie.“ Reiser hielt sie zurück. „Sollen wir Sie nach Hause begleiten?“
Charlotte schüttelte den Kopf.
„Danke, ich schaffe das schon. Mein Bruder wird sich bei Ihnen melden.“
Charlotte spürte den Blick förmlich
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