Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
jucken nur, wenn irgendwas faul ist.“
„Warten wir die Obduktion ab“, erwiderte Tom. „Und deine Füße, die solltest du mal wieder waschen.“
„Sehr witzig, ich nehme mir jetzt mal das Jüngelchen da draußen vor. Und wenn ihr hier fertig seid, macht im Haus weiter!“, rief er den Männern vom Erkennungsdienst zu. „Vielleicht finden wir ja dort noch eine Spur. Ich glaube, draußen bei dem Wetter werden wir nicht sehr viel Glück haben.“
Schwerfällig verließ Reiser die Garage. Er hatte die letzte Nacht wenig geschlafen und fühlte sich völlig erschöpft.
Der junge Beamte, der ihn begrüßt hatte, kam auf ihn zu, sein Regencape vollkommen durchnässt, und sprach ihn an:
„Ich habe alle Personalien von den Leuten da draußen, zwei Männer, eine Frau und zwei Jugendliche.“
Das macht nur fünf! Verdammt, da waren sechs gewesen. Er war sich ganz sicher . Da hat sich wohl wieder einer aus dem Staub gemacht.
„Okay“, sagte er nur und ließ den Beamten im Regen stehen.
Den Jungen hatte man zwischenzeitlich in den Krankenwagen gesetzt. Bekleidet in Jeans und T-Shirt starrte er, vollkommen durchweicht vom strömenden Regen, mit ausdruckslosen Augen vor sich hin. Kein Schluchzen kam mehr über seine Lippen.
„Guten Abend. Mein Name ist Reiser. Ich bin hier der leitende Beamte und das hier ist mein Ausweis. Können Sie sich bitte ausweisen.“
Der Junge nahm ihn gar nicht wahr und blickte einfach durch ihn hindurch.
„Er steht unter Schock.“ Die Sanitäterin, ein junges hübsches Mädchen, schaute mitleidig auf den jungen Mann. „Wir haben ihm ein leichtes Beruhigungsmittel gegeben. Sein Name ist Sebastian, Sebastian Witt.“
„Hm, ein paar Fragen wird er mir noch beantworten müssen, aber ich verspreche Ihnen“, und dabei versuchte er freundlich zu lächeln, „wir werden ihn heute nicht zu sehr beanspruchen. Wenn Sie netterweise draußen warten würden.“ Seiner Aufforderung folgte sie, das konnte er sehen, mit Widerwillen, und er konnte es ihr fast nicht verübeln, denn der Junge sah trotz allem ausgesprochen gut aus.
Doch im gleichen Moment, als die junge Frau den Krankenwagen verlassen wollte, sprang der Junge auf, schubste die Sanitäterin grob zur Seite und verschwand in der Dunkelheit.
„Na, das scheint wohl noch nicht richtig gewirkt zu haben. Ein wahres Teufelszeug, Ihr Beruhigungsmittel“, meinte Reiser ironisch und folgte dem Jungen widerwillig. Als Reiser allerdings erkannte, dass der Junge mit einem auf der Straße geparkten Auto flüchten wollte, kam Bewegung in seine schwachen Beine, und noch während er auf die Straße lief, brüllte er den Beamten eines Streifenwagens zu: „Tempo, Jungs!“, stieg schnellstens in ihren Wagen und ordnete den Männern an, dem fliehenden Auto zu folgen.
„Mein Gott, der ist doch völlig zugedröhnt. Beeilen Sie sich, der ist sonst gleich über alle Berge.“ Reiser ärgerte sich über sich selbst. Ein Fehler zur falschen Zeit.
Mit Blaulicht jagten sie hinter dem Flüchtenden her und verloren ihn nur kurz aus den Augen. Als sie um die Ecke fuhren, war er verschwunden.
„Verdammt, wo ist er hin?“, keuchte Reiser.
„Da vorne!“, brüllte sein Kollege. „Da ist er, ich sehe ihn. Er verschwindet im Leonardo.“
*
In der Pizzeria „Leonardo“ an der Ecke zur Hauptstraße herrschte an diesem Samstagabend lebhafter Betrieb, als Annabell und Charlotte das Lokal betraten. Die zwei Freundinnen verbrachten des Öfteren ihre Abende im „Leonardo“, das aufgrund seiner Schlichtheit und moderaten Preise hauptsächlich junge Leute anzog. Italienische Musik spielte leise im Hintergrund.
Enzo Rossi, der Sohn des Besitzers, lief emsig von Tisch zu Tisch, um die Bestellungen entgegenzunehmen. Er war von kleiner Statur, dunkle lange Locken umrahmten sein schmales, an sich hübsches Gesicht, doch die überdurchschnittlich große Nase gab ihm einen an einen Raubvogel erinnernden Ausdruck. Als er die beiden Mädchen zur Tür hereinkommen sah, leuchteten seine Augen auf und er kam ihnen freudig entgegen.
„Hi, Annabell, schön, dich hier zu sehen. Ich habe dir einen Tisch freigehalten, dort drüben.“ Charlotte ignorierte er, als ob sie gar nicht anwesend wäre. Er schien nur Augen für Annabell zu haben, die ihn auf ihre herablassende Art kühl anlächelte.
„Das ist so nett von dir, Enzo“, sagte diese spöttisch und zog Charlotte zu dem hübsch gedeckten Ecktisch. Flackernde Kerzen in hohen silbernen Kerzenständern zierten den
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