Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)
vorbei, dann reden wir. Ob er etwas weiß? Hubert sollte es doch wohl egal sein, wen seine Tochter vögelt. Nur Phillips Familie und die Menschen, die ihm ihre Stimme gaben, sollten davon tunlichst nichts erfahren, und Hubert würde bestimmt nichts ausplaudern, da war er ganz sicher. Er würde ihm höchstens den Marsch blasen, ihm sagen, dass er auf der Stelle die Affäre mit Annabell beenden müsste. Hatte ihm Annabell etwas gesagt?
Das glaube ich auf keinen Fall, aber vielleicht waren wir nicht vorsichtig genug und es hat uns jemand gesehen. Mist, das kann ich jetzt überhaupt nicht gebrauchen , überlegte er.
Als Phillip gegen 22 Uhr das Lokal betrat, herrschte reges Treiben in der Gaststätte. Fast alle Stühle an der Theke waren besetzt, auch an den Tischen ringsherum gab es kaum freie Plätze.
In dem vorderen Bereich der Kneipe wurde trotz Rauchverbots weiterhin kräftig gequalmt, nur der hintere Bereich des Lokals war rauchfrei und menschenleer. Das Leben spielte an der Theke, und der Wirt war der Spielleiter.
Hubert Stein, ganz in seinem Element, zapfte ein Kölsch nach dem anderen. Ausschließlich dem Gastwirt persönlich unterlag diese Aufgabe.
Seine Angestellten eilten von Tisch zu Tisch.
Der Steinhof strahlte trotz seiner altbürgerlichen Einrichtung eine warme Gemütlichkeit aus. Viele der Gäste wollten nur klönen, tratschen und trinken. Einige kamen, um das hervorragende Essen zu genießen.
Phillip war aus keinen dieser Gründe an diesem Ort, an dem er jetzt eigentlich auch gar nicht sein wollte. Er setzte sich an einen freien Platz an der Theke und wartete, bis Hubert ihn entdeckte. Es schien ihm, als ob Hubert ihn missbilligend anschaute, allerdings hätte er sich auch täuschen können. Hubert schaute eigentlich immer etwas griesgrämig in die Welt, was seine vielen Gäste nicht davon abhielt, bei ihm ein und aus zu gehen.
Phillip wartete. Nach einigen langen Minuten stellte ihm Hubert ein frischgezapftes Kölsch hin und sagte wie beiläufig, und wenn Phillip später darüber nachdachte, eiskalt:
„Wir haben ein Problem, Herr Abgeordneter, Christoph ist tot.“
Er schämte sich dafür, aber Phillip verspürte sofort eine gewisse Erleichterung bei dieser Aussage. Er glaubte nun, dass Hubert nichts von Annabell und ihm wusste.
„Annabell hat mich eben angerufen.“ Hubert sah Phillip mit zusammengekniffenen Augen an und wartete auf eine Reaktion, doch Phillip war zu keiner Regung fähig. „Was ist, hat es dir die Sprache verschlagen? Weißt du, was das bedeutet? Annabell hat erzählt, dass er vielleicht ermordet wurde. So ein verfluchter Mist, echt.“ Hubert wirkte eher ärgerlich als besorgt.
„Verstehe ich nicht.“ Phillip versuchte sich zu konzentrieren. Der Zigarettenqualm benebelte seine Sinne. „Ist das nicht gut für dich? Er hat uns nur Ärger gemacht. Jetzt steht dem Abriss des Hauses nichts mehr im Wege. Und die alten Leutchen haben niemanden mehr, der sich für sie stark macht. Ist doch alles bestens.“
„Oh Gott, Phillip, bist du eigentlich so blöd oder tust du nur so?“ Mit diesen Worten zog er sich kurzfristig zurück, um die anderen Gäste wieder mit frischem Kölsch zu versorgen. Phillip dachte nach, jedoch gelang es ihm nicht, Huberts Problem zu erkennen.
Christoph war ein Querulant gewesen, ein Arschloch, der Phillip des Öfteren die Tür vor der Nase zugeschlagen hatte. Und er hatte ihn, Phillip, beleidigt, übel beschimpft und bedroht. Und nun war er tot. Ermordet. Wer tut so was?
Oh, verdammt, die Polizei, sie wird Fragen stellen, sie werden natürlich ermitteln. Jetzt weiß ich, was Hubert meint. Wir könnten ein Problem haben. Aber eigentlich glaubte er es nicht. Was interessieren sich die Bullen für irgendwelche gefälschten Gutachten?
„Mach dir keine Sorgen, Hubert“, sagte er, als dieser wieder zu ihm getreten war. „Es ist nur noch eine Frage der Zeit, und wie du siehst“, er prostete Hubert mit seinem Kölsch zu, „lösen sich die Probleme meist ganz von selbst.“
*
Molly war sich durchaus bewusst, dass sie mit ihrem Vehikel und der Art, wie sie sich kleidete, in einer spießigen Kleinstadt wie Heiligenburg auffallen würde. Allerdings traf das Wort spießig nicht exakt des Pudels wahren Kern.
Engstirnig oder verschlossen allem Fremden gegenüber wäre wohl in ihren Augen die bessere Wahl gewesen.
An dem Tag, als sie Heiligenburg vor über vierzig Jahren verlassen hatte, da hatte sie sich geschworen, nie wieder einen Fuß in dieses
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