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Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Titel: Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Wilhelmy
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bleiben hier“, wies Julian den alten Mann an und hechtete zum Eingangsportal der kleinen Kirche. Sein Herz schlug hart in seiner Brust. Schnell drückte er die gusseiserne Türklinke. Laut knarrend öffnete sich die Tür. Feuchte, kühle, modrige Luft schlug ihm entgegen und im ersten Moment konnte er kaum glauben, was er sah.
    Unter dem Altar und dem Jesuskreuz inmitten der Kapelle sah er in einem Kreis von kleinen brennenden Teelichtern die zwei gesuchten Mädchen. Charlotte saß rittlings auf Annabell und hielt ihr Mund und Nase zu. Zu seinem Entsetzen bemerkte er, dass sich Annabell nicht mehr regte.
    „Charlotte!“, schrie er voller Panik. „Was machst du da?“

 
     

Mit aufgerissenen Augen drehte sich Charlotte ruckartig zu ihm um und ließ zu seiner Erleichterung von Annabell ab. Annabell regte sich nicht. Oh, mein Gott , dachte er angstvoll, ist sie tot?
    „Julian, verpiss dich!“, schrie Charlotte ihn an. „Ich meine es ernst!“ Sie zog etwas aus ihrer Shorts, das so aussah wie eine Spritze, und hielt es demonstrativ in die Höhe. „Sie wird sterben, wenn du nicht gehst, Julian. Das hier tötet sie in Sekunden, also mach dich dünne, Julian. Lass uns in Ruhe!“
    Julians Herz hämmerte wild. Er wusste nicht, was er tun sollte. Bluffte sie oder hatte sie wirklich Gift in der Spritze? Ein weiteres Mal fühlte er sich unfähig, unfähig, Annabell zu helfen. Der Schweiß rann ihm über die Stirn und seinen Rücken. Er glaubte, noch nie so stark geschwitzt zu haben. Ich muss mit ihr reden, das ist alles, was ich machen kann , dachte er frustriert. Er räusperte sich, denn er hatte das Gefühl, ein riesengroßer Kloß würde seine Kehle zuschnüren.
    „Charlotte, bitte. Lass Annabell gehen. Sie ist doch deine beste Freundin. Du willst ihr doch nichts tun, bitte, Charlotte.“
    „Du verstehst das nicht, Julian. Weil sie meine beste Freundin ist, wird sie mich begleiten. Wir gehen überall zusammen hin. Und das hier ist jetzt unsere letzte Reise.“
    „Aber du kannst sie doch nicht gegen ihren Willen einfach sterben lassen, das kann doch nicht deine Entscheidung sein.“ Ein Hauch von Ärger lag in seiner Stimme.
    Charlotte hörte es sofort.
    „Sie will es bestimmt, sie will mit mir ins Paradies, dorthin, wo meine Süße ist und mein Papa.“
    „Nein, sie will leben, Charlotte.“ Er trat ein paar Schritte in die Kirche hinein.
    „Halt, bleib stehen, Julian, sofort!“ Wütend schaute Charlotte ihn an. „Ich hab dir doch gesagt, du sollst dich verpissen!“
    Ein schlurfendes Geräusch hinter Julian ließ sie aufhorchen. Auch Julian drehte kurz den Kopf. Die tiefstehende Sonne blendete sie, deshalb waren nur die Umrisse von Karl Pütz zu sehen, doch sie schien ihn zu erkennen.
    „Kindchen.“ Seine Stimme klang unendlich traurig. „Kindchen, was machen Sie denn da?“

„ W ir müssen zu Sophies Grab, so viel steht fest.“
    Minuten vorher hatte Simon versucht, der schluchzenden Theresa die Fotografie nochmals aus den Händen zu nehmen, um Reiser seine Entdeckung zu zeigen, doch Theresa hatte das Foto krampfhaft umschlossen und nicht hergeben wollen. Es hatte einiges an Zuspruch seinerseits und das Versprechen bedurft, es ihr sofort wieder zurückzugeben, bis sich schließlich ihre verkrampften Finger gelöst hatten. Simon hatte Reiser das Bild gereicht und mit seinem Zeigefinger auf den Ohrring gezeigt. Reiser hatte wortlos genickt. Die Erkenntnis, dass Annabell nicht Täter, sondern vielleicht Opfer war, war ihnen angesichts dieses Fundes sofort klargeworden.
    „Frau Richter, darf ich Ihnen noch eine Frage stellen?“ So sanft wie möglich versuchte Simon, Theresas Aufmerksamkeit zu bekommen, als er ihr das Foto zurückgab. „Sie haben auf diesem Foto ein wunderschönes Paar Ohrringe an. Sind es Erbstücke?“ Theresa lächelte unter Tränen und nickte. „Ja, sind sie nicht wunderschön? Ich habe sie von meiner Großmutter bekommen. Sie sind sehr alt und mit dem anderen Schmuck meiner Großmutter das einzig Wertvolle, was ich je besaß.“ Sie sagte es ohne Wehmut, fast gleichgültig.
    „Haben Sie Ihrer Tochter Charlotte diese Ohrringe geliehen oder vielleicht geschenkt?“
    „Was soll das werden?“ Sebastian war aufgesprungen und funkelte ihn zornig an. „Was haben die Ohrringe mit Charlottes Verschwinden zu tun?“
    Sebastians Augen wirkten glasig, sein Gesicht war kalkweiß.
    „Ich habe sie ihr zu ihrem 18. Geburtstag geschenkt.“ Drei Augenpaare blickten Theresa mitleidig an.

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