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Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition)

Titel: Todesreim : Hachenberg und Reiser ermitteln (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Wilhelmy
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er konnte, doch auf den noch aufgeweichten Wegen kam er nur langsam vorwärts. Sein Herz klopfte bis zum Anschlag, in seinen Ohren pochte das Blut und er merkte, dass seine Beine immer schwerer wurden. Am Ende des Waldes bemerkte er einen Bussard, der langsam und gemächlich seine Runden drehte und sich allem Anschein nach auf Mäusejagd befand. Wäre nicht übel, jetzt ein Bussard zu sein , dachte Julian und verfolgte fasziniert den Greifvogel mit seinen Augen. Der hat den totalen Überblick.
    Er erreichte den Friedhof an der Rückseite in der Nähe der kleinen Kapelle, die idyllisch eingebettet zwischen Bäumen und Gräbern lag. Hier bot sich ihm das gleiche Bild wie schon auf dem Friedhof zuvor. Keine Menschenseele war zu sehen. Zögernd stieg er vom Fahrrad und schob es langsam vor sich her.
    Eine unsagbare Ruhe überkam ihn und seine Gedanken schweiften ungewollt zu seiner Mutter. Trauer erfasste sein Herz, denn obwohl er ja wusste, dass sie lebte, hatte er immer das Gefühl gehabt, sie wäre für ihn gestorben. Vielleicht konnte er deshalb besser mit dem Schmerz umgehen. Seine Großeltern hatten ihm eine behütete und glückliche Kindheit beschert und doch hatten ihm seine Eltern gefehlt. An seine Mutter konnte er sich nicht erinnern. Später, als er erwachsen war, hatte er ihr Leben und ihren Werdegang mit Interesse, Wut und Trauer verfolgt. Sein Vater war ja nie ganz aus seinem Leben verschwunden. Sein Vater, der große Held, der so weit fortreisen musste, um die Welt zu retten. Wenn er ihn nach vielen Monaten wieder einmal besuchte, waren sie sich fremd, und als die Abstände zu jedem Besuch immer ein wenig größer wurden, begann er ihn zu hassen. Er war dankbar für die Liebe, die seine Großeltern ihm entgegenbrachten, doch es war für ihn unverständlich, dass sie ihren Sohn immer und immer wieder in Schutz nahmen. Über dessen Frau sprachen sie nie. Er hätte es auch nicht gewollt. Nur eins hatten seine Großeltern ihm immer wieder gesagt: Sein Vater habe seine Mutter sehr geliebt. Deshalb sei er so wie er sei. Doch für ihn war das keine Entschuldigung.
    Das laute Krächzen eines Vogels holte ihn aus den Erinnerungen zurück und sein Blick fiel auf den angrenzenden Parkplatz, auf dem nur ein Auto stand. Sein Atem stockte. Es war Annabells Auto. Sie war hier. Hektisch blickte er sich um. Kein Laut war zu hören, keine Menschenseele zu sehen. Wo waren sie? Wo war das Grab von Sophie? Wieder wusste er nicht, wo er mit der Suche beginnen sollte. Erneut schwang er sich auf sein Rad und trat hastig in die Pedale.
    Ringsum Stille, nur der Wald rauschte sanft und ein leichter Windhauch strich über sein Gesicht. Keine Wolke verschleierte den Himmel, unbarmherzig strahlte die Sonne auf die Erde. Durch die tiefstehende Sonne hatte er den alten Mann zu spät bemerkt, der, sich schwer auf seinen Stock stützend, aus einem der Nebenwege hervortrat. Erst in letzter Sekunde riss er das Lenkrad herum und schaffte es gerade noch, ihm auszuweichen. Wie um Entschuldigung bittend und zerknirscht blickte er den älteren Mann an, doch dieser schaute keineswegs unfreundlich.
    „Junger Freund, Sie dürfen hier nicht mit dem Fahrrad fahren“, schalt dieser ihn nichtsdestotrotz und Julian nickte zustimmend mit dem Kopf.
    „Ich weiß, entschuldigen Sie bitte. Das ist auch normalerweise nicht meine Art, aber es ist so etwas wie ein Notfall.“
    Neugierig blickte ihn der Alte aus seinen wachen Augen an.
    „Kann ich Ihnen vielleicht helfen?“
    „Das wäre natürlich wunderbar, aber ich habe sehr wenige Anhaltspunkte“, erwiderte Julian ratlos.
    „Versuchen wir’s.“ Der Alte lächelte Julian an und reichte ihm freundschaftlich die Hand. „Mein Name ist Pütz und mit wem habe ich es zu tun?“
    „Julian, nennen Sie mich Julian.“ Er nahm die ihm gereichte Hand und wunderte sich über die Kraft, mit der der alte Mann zudrückte.
    „Also dann schießen Sie mal los. Ich kenne mich hier ziemlich gut aus.“ Traurig fügte er hinzu: „Ich komme schon viele Jahre hierher. Meine Maria“, er zeigte in den Weg, der hinter ihm lag, „sie liegt schon lange hier.“
    „Ich habe eigentlich nur einen Vornamen“, erzählte ihm Julian. „Sophie.“ In seiner Stimme schwang ein wenig Hoffnungslosigkeit. „Nicht sehr viel, nicht wahr?“
    „Sophie“, hauchte Karl Pütz den Namen. „Ich kenne Sophie.“
    Julians Herz setzte aus. Konnte es sein, dass sein Suchen ein Ende gefunden hatte?

V orsichtig öffnete sie die Augen. Ihre

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