Todesrennen
sagen Sie? – innato ist. Stürmisch.«
»Launisch?«
»Ja. Die Maschine ist noch nicht gezähmt.«
»Ist die Flugmaschine Ihres Vaters gefährlich?«
»Können wir uns auf ›interessant‹ einigen?«, meinte Danielle Di Vecchio mit einem feinen Lächeln. Und in diesem Moment, dachte der hochgewachsene Detektiv, hätten sie ebenso gut tausende Meilen von Massachusetts entfernt flirtend in einem römischen Salon sitzen können.
»Wo ist sie?«, fragte er.
Der Blick der dunkeläugigen Italienerin wanderte von Bell zu der Hügelkuppe draußen. Ihr Gesicht leuchtete in einem strahlenden Lächeln auf. »Dort«, sagte sie.
Bell schaute aus dem Fenster. Was um alles in der Welt stellte sie sich vor?
Der Lastwagen mit dem platten Reifen hatte den Anhänger mittlerweile auf den Hügel geschleppt. »Ein Junge«, erklärte sie. »Ein netter Junge. Er liebt mich.«
»Aber was tut er mit der Maschine Ihres Vaters?«
»Mein Vater hat sie aus Italien mitgenommen. Seine Gläubiger haben hier keinen Zugriff darauf. Es ist sein Vermächtnis. Mein Erbe. Dieser junge Mann half meinem Vater in Amerika. Er ist eccellente meccanico! «
»Kein artista?« , fragte Bell und wartete lächelnd auf ihre Reaktion. Ganz sicher konnte er nicht sein, aber sie war offensichtlich genauso normal wie er.
»Künstler sind selten, Mr. Bell. Das wissen Sie sicher. Er schrieb mir, dass er kommen werde. Ich dachte, er träumt.« Sie sprang auf und winkte aus dem Fenster, aber es war unwahrscheinlich, dass er sie sehen konnte. Bell reichte ihr den Saum des weißen Fenstervorhangs. »Winken Sie damit. Vielleicht sieht er es.« Sie befolgte seinen Rat. Aber der junge Mann reagierte nicht, wobei sein Blick wahrscheinlich nur auf den zahllosen vergitterten Fenstern ruhte und sich nicht ins oberste Stockwerk verirrte.
Sie sank auf ihren Stuhl zurück. »Er träumt noch immer. Stellt er sich etwa vor, ich könnte so einfach aus diesem Haus hinausspazieren?«
»Wie heißt er?«, wollte Bell wissen.
»Andy. Andy Moser. Mein Vater mochte ihn sehr.«
Isaac Bell kam ein wunderbarer Gedanke. Er fragte: »Wie schnell ist der Eindecker Ihres Vaters?«
»Sehr schnell. Vater glaubte, dass man den Wind nur mit Geschwindigkeit bezwingen kann. Je schneller ein aeroplano fliegen könne, desto sicherer sei es in schlechtem Wetter, sagte Vater immer.«
»Schneller als sechzig Meilen in der Stunde?«
»Vater hoffte, es würde sogar siebzig Meilen schaffen.«
»Miss Di Vecchio, ich habe ein interessantes Angebot für Sie.«
13
»Mr. Moser, Ihre Lage ist im Begriff, sich gründlich zu verbessern«, sagte Isaac Bell zu dem Mechaniker mit dem traurigen Gesicht, der ein Frankfurter Würstchen über einem Feuer grillte, das er in sicherer Entfernung von den Kisten entfacht hatte, in denen der American-Eagle- Eindecker verpackt war.
»Woher kennen Sie meinen Namen?«
»Lesen Sie das!«
Bell drückte einen Briefumschlag aus edlem Pergamentpapier, den er von Dr. Ryders Schreibtisch hatte mitgehen lassen, in Mosers ölverschmierte Hand.
»Öffnen Sie ruhig.«
Andy Moser schob einen Finger unter den Verschluss und faltete danach einen Bogen Schreibpapier auseinander, der mit eleganter florentinischer Kursivschrift bedeckt war, und las, wobei er langsam die Lippen bewegte.
Isaac Bell hatte die Gelegenheit ergriffen, der schönen italienischen Frau zu helfen, während er sich gleichzeitig selbst half, das ärgerliche Problem zu lösen, vor dem er Archie gewarnt hatte. Das Feld der Konkurrenten, die um den Whiteway Cup wetteiferten, wuchs so sehr, dass zu viele Hilfszüge dieselben Eisenbahngleise benutzen müssten. Mit Josephines Flugmaschine Schritt zu halten, um das Leben der Pilotin zu schützen, wäre sogar mit der Hilfe der Autopatrouillen, die Archie sich vorgestellt hatte, ein Albtraum.
Aber was wäre, hatte Bell sich gefragt, wenn er eine räumlich überlegene Position bezog? Mit seiner eigenen Flugmaschine könnte er das Rennen aus nächster Nähe überwachen. Er könnte Josephine in der Luft beobachten, während er Männer entlang der weiteren Rennstrecke und auf Jahrmarktsplätzen mit hinreichend großen Innenfeldern für den Start und die Landung der Maschinen postierte.
Danielle Di Vecchio brauchte Geld, um in die Berufung zu gehen, damit sie aus Ryders Sanatorium entlassen wurde.
Und Isaac Bell brauchte einen schnellen Flieger. Also kaufte er den ihres Vaters.
»Danielle sagt, ich solle mit Ihnen gehen, Mr. Bell.«
»Und nimm bloß auch meine
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