Todesrennen
Van-Dorn-Agenten schleppten bereits die Einzelteile vom Güterbahnhof aufs Innenfeld.
Dann, dachte Bell, brauchte er nur noch zu lernen, wie man das Ding lenkte, ehe das Rennen gestartet wurde. Oder zumindest so viel, dass er in der Praxis weiterlernen konnte, während er Josephine auf ihrer Route folgte. Wenn das Rennen in San Francisco endete, wäre er sicher schon ein ganz guter Flieger, und als Erstes würde er Marion Morgan zu einem Flug mitnehmen. Der Motor der Eagle hatte genug Leistung, um einen zusätzlichen Passagier zu tragen, wie Andy Moser ihm versichert hatte. Marion könnte sogar ihre Kamera für bewegte Bilder mitnehmen. Und wäre dieses Abenteuer nicht auch ein schönes Hochzeitsgeschenk?
Er sah, wie Josephine im Osten verschwand. »Okay, Leute«, sagte er zu den Van Dorns, »bleibt hier und wartet auf Josephines Rückkehr. Haltet euch immer in ihrer Nähe. Falls ihr mich brauchen solltet, ich bin drüben bei dem Thermomotor.«
»Meinen Sie, dass Frost noch einmal versuchen wird, hier zuzuschlagen? Er weiß doch jetzt, dass wir darauf vorbereitet sind.«
»Er hat uns schon einmal überrascht. Haltet die Augen offen. Ich bin zurück, ehe sie wieder gelandet ist.«
Bell schlenderte über das Innenfeld zu der einhundert Meter langen Stahlschiene, auf der, wie Platow versprochen hatte, sein Motor bei einem letzten Testlauf entlangrasen würde, ehe er in Steve Stevens’ Doppeldecker eingebaut würde.
Der ungeheuer fette Stevens, der fast aus seinem weißen Anzug zu platzen drohte und vor Ungeduld finster dreinblickte, saß an einem Frühstückstisch, den seine älteren Diener mit Leinen und Silberbesteck gedeckt hatten. Platow und Stevens’ Chefmechaniker bastelten an dem bislang noch stummen Düsenmotor herum. Der Mechaniker justierte Ventile und Schalter, während sich Platow intensiv mit seinem Rechenschieber beschäftigte. Stevens reagierte seine Ruhelosigkeit ab, indem er seine Diener abkanzelte. Sein Kaffee sei kalt, beklagte er sich. Seine Frühstückshörnchen seien labberig, und außerdem reichten sie nicht aus, um seinen Appetit zu stillen. Die unterwürfigen älteren Männer, die den Baumwollpflanzer bedienten, rannten wie aufgescheuchte Hühner hin und her und machten einen verängstigten Eindruck.
Stevens’ arroganter Blick fiel auf Bells weißen Anzug.
»Bestimmt kreist Mississippiblut in Ihren Adern, Sir«, sagte er im trägen, gedehnten Akzent der Südstaaten. »Hab nämlich noch nie einen Yankee gesehen, zu dem das gediegene weiße Tuch des alten Südens gepasst hätte.«
»Mein Vater hat lange im alten Süden gelebt.«
»Und Sie gelehrt, sich zu kleiden wie ein Gentleman. Liege ich richtig, wenn ich annehme, dass er Baumwolle für die Webereien von Neu-England gekauft hat?«
»Er war Nachrichtenoffizier der Unionsarmee und führte Präsident Lincolns Befehl aus, die Sklaven zu befreien.«
»Alles bereit, meine Herren!«, rief Dmitri Platow.
Die gekräuselten Haare des Backenbarts zitterten vor Aufregung, während seine dunklen Augen blitzten.
»Der Thermomotor kann starten.«
Stevens sah zu seinem Chefmechaniker hinüber. »Stimmt das, Judd?«
Judd murmelte: »Er könnte nicht startbereiter sein, Mr. Stevens.«
»Es wurde auch Zeit. Ich habe lange genug herumgesessen und gewartet … Hey, wo wollen Sie hin?«
Judd hatte einen Baseballschläger geschultert, ging an der Schiene entlang und entfernte sich. »Ich muss auf den Stoppschalter schlagen, um die Maschine abzustellen, wenn sie das Ende der Schiene erreicht.«
»Wollen Sie auf diese Weise den Motor meiner Flugmaschine stoppen? Haben Sie ernsthaft vor, sich mit einem Baseballschläger bewaffnet vor mir aufzustellen?«
»Keine Sorge!«, rief Platow. »Automatischer Schalter ist in Maschine. Das hier nur ein Test. Sehen Sie?« Er deutete auf den Thermomotor, der auf der Schiene ruhte. »Großer Schalter. Muss nur berührt werden, wenn Maschine vorbeifährt.«
»Na schön, dann fangen Sie endlich an, in Gottes Namen. Am Ende wird das Rennen gestartet, und alle sind längst über den Mississippi, ehe ich endlich loslegen kann.«
Judd rannte etwa achtzig Meter weit an der Schiene entlang und begab sich auf seine Position. Bell fand, dass er genauso unglücklich aussah wie ein guter Schläger, dem sein Trainer befohlen hatte, den Ball nur abtropfen zu lassen.
»Jetzt los!«, rief Platow.
Der Thermomotor zündete mit einem leisen Grollen, das sich zu einem ohrenbetäubenden Kreischen steigerte. Bell hielt sich
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