Todesrennen
bewirkte, dass die Eagle nach vorn auf den Propeller kippte. Die drei Meter große Luftschraube zerbrach wie ein Streichholz.
Bell sprang aus seiner Maschine und rannte los, kaum dass er festen Boden unter den Füßen hatte. Gleichzeitig holte er das leere Magazin aus seiner Pistole und ersetzte es durch ein volles. Die Schiffe an dem Pier, an dem die Austernschute angelegt hatte, versperrten ihm die Sicht auf den flüchtenden Harry Frost. Bell hatte das Festland schon fast erreicht, als er Frost endlich wieder erblickte. Dieser hatte noch immer einen beträchtlichen Vorsprung und sprintete so schnell er konnte zum Viehhof.
Ein weiterer Eisenbahnpolizist machte den Fehler, ihn aufhalten zu wollen. Frost streckte auch ihn mit einem Faustschlag nieder und riss einen Revolver aus dem Hosenbund des Mannes. Ein vierter Eisenbahncop rief ihn an und zog eine Pistole. Frost blieb stehen, zielte sorgfältig und schoss ihn nieder. Nun fühlte er sich völlig sicher, blieb noch für einen Moment stehen und sah sich drohend um, als wollte er jeden warnen, ihn zu verfolgen.
Bell befand sich etwa einhundert Meter hinter ihm, sogar mit seiner modifizierten Browning No. 2 schien ein so weiter Pistolenschuss geradezu unmöglich. Also schwang er die langen Beine und legte Tempo zu. Bei einer Entfernung von fünfundsiebzig Metern zielte er auf Frosts Kopf in der sicheren Annahme, dass sein Gegner seine kugelsichere Weste trug. Es war noch immer eine extreme Schussweite. Er legte den Pistolenlauf auf einen absolut ruhigen Unterarm, atmete aus und krümmte behutsam den Finger am Abzug. Mit einem Schmerzensschrei wurde er belohnt.
Frosts Hand zuckte hoch zu seinem Ohr. Der Schrei verstärkte sich zu einem wütenden Brüllen, und er leerte den Revolver des Eisenbahndetektivs in Bells Richtung. Während ihm die Kugeln um die Ohren pfiffen, schoss Bell abermals. Frost warf seine leer geschossene Waffe weg und rannte in Richtung des Viehhofs. Ochsen mit ängstlich aufgerissenen Augen machten ihm Platz. Frost setzte in vollem Lauf über ein Gatter und landete mitten zwischen den Tieren. Sie brachten sich wild trampelnd vor ihm in Sicherheit und verursachten ein heftiges Gedränge.
Ein Ochse sprang über den Rücken eines anderen und landete auf dem Gatter, das unter seinem Gewicht nachgab. Durch diese Lücke drängten sich die in Panik geratenen Tiere und rissen dabei weitere Teile des Gatters nieder, strömten in alle Richtungen, ins Eisenbahndepot, auf die Straße nach Weehawken und zu den Landungsbrücken hinter Bell. Innerhalb von Sekunden schoben sich Hunderte Fleischrinder als eine kompakte wogende Masse zwischen ihn und Frost. Dieser drängte sich zwischen ihnen hindurch, stieß wütende Flüche aus und schoss mit einer Pistole, die er aus seiner Jacke hervorgezaubert hatte, in die Luft.
Bell war von galoppierenden, mit den Hörnern klappernd aneinanderstoßenden Schlachttieren umringt. Er versuchte, sich einen freien Raum zu schaffen, indem er ebenfalls in die Luft schoss. Aber für jede vor Angst rasende Kreatur, die vor seinen Schüssen zurückwich, stürmte eine andere direkt auf ihn zu. Er rutschte auf den Pflastersteinen aus, die vom Rinderdung glitschig waren. Beinahe hätte er den Halt verloren und wäre gestürzt. Doch wenn er jetzt wirklich zu Boden gegangen wäre, wäre er zu Brei zerstampft worden. Ein mächtiger Stier mit weißem Schädel kam auf ihn zu – eine texanische Longhorn-Hereford-Kreuzung, die er aus seinen Jahren im Westen sehr gut kannte. Gewöhnlich weitaus friedlicher, als ihr Anblick vermuten ließ, stieß dieses Tier kleinere Rinder wie Bowlingpins aus dem Weg.
Bell verstaute seine Pistole im Holster, um die Hände frei zu bekommen. Da er nichts zu verlieren, sein Leben aber zu gewinnen hatte, wenn er es schaffte, sich irgendwie aus der Rinderherde zu befreien, setzte er zu einem blitzartigen Sprung an, packte die Hörner des Weißkopfs mit beiden Händen und schwang sich auf seinen Rücken. Er presste die Knie mit aller Kraft zusammen, packte mit stählernem Griff das dichte Haarbüschel zwischen den Hörnern, riss sich den Fliegerhelm vom Kopf und schwang ihn wie ein Rodeoreiter.
Der völlig verschreckte bockende Ochse verfiel in einen hektischen Galopp, pflügte durch das Gedränge, setzte mit einem Sprung über einen umgekippten Abschnitt des Viehgatters und stürmte auf den nun leeren Viehhof zurück. Bell ließ sich vom Rücken des Ochsen rollen und kam taumelnd auf die Füße. Harry Frost war
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