Todesriff
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rprüfte
die
Presslu
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flasche . Sie zog gerade die Taucherbrille mit dem Schnorchel herunter und schaltete die Taschenlampe an, als sie wieder an die Haie dachte und nach der Harpune griff. Dann ließ sie sich ins schwarze Wasser hinuntergleiten.
Die Regel, dass man niemals allein tauchen sollte, galt für sie nicht. Unter Wasser fühlte Annabel sich sicher – außerdem war sie nachts schon oft unterwegs gewesen. Nachts war die Welt unter Wasser noch zauberhafter als am Tag – nachts fiel es ihr noch leichter, ihr alltägliches Leben zu vergessen.
Ruhig und gleichmäßig atmete sie ein und aus. Das Manometer zeigte an, dass sie genug Luft für einen fünfzehnminütigen Tauchgang bis zu zweiundzwanzig Metern Tiefe hatte.
Wie große Perlen sahen die Luftblasen aus, die aus ihrem Mund aufstiegen. Ein Snapper schwebte vor ihr, floh aber vor dem Licht ihrer Lampe. Zitronengelbe Schmetterlingsfische huschten aufgeschreckt zwischen die Korallenzweige, wo Annabel auch jene gelb-blau gestreiften Fische mit dem seltsamen Namen Sergeant Majors entdeckte. Immer wieder wurde sie angesichts der Farbenpracht und Formenvielfalt der Unterwasserwelt sprachlos.
E
in leichter Schwindel machte sich plötzlich bemerkbar.
V
erschwommen sah sie die Anzeige auf dem Manometer.
Nur noch mühsam konnte sie die Beine mit den Flossen bewegen. Ihr ganzer Körper wurde schwer wie Blei. Annabel stieß mit der Taschenlampe an eine Koralle und erschrak. So nah vor sich hatte sie sie gar nicht vermutet, da entglitt die Taschenlampe ihrer Hand. Der Lichtkegel drehte sich und verschwand in einer Riffspalte.
Plötzlich war es stockdunkel. S chwer wie Metall schienen ihre Augenlider zu sein, und ihr war, als gehörte ihr Kopf gar nicht mehr zu ihrem Körper. Schwindel überfiel sie, diesmal mit Macht, sie war völlig orientierungslos, wusste nicht mehr, wo oben und wo unten war, trieb irgendwo dahin ...
Du musst auftauchen, du musst auftauchen, jetzt sofort und so schnell wie möglich! Aber sie wusste doch gar nicht, wo sich die Wasseroberfläche befand. Wirf den Bleigürtel ab, jetzt!, befahl ihr
ihre innere
Stimme. Irgendwie schaffte sie es und sie trieb hinauf.
Mit größter Anstrengung gelang es ihr, Luft in die Weste zu lassen, nicht zu viel, damit sie nicht zu schnell aufsteigen würde. Für einen Moment fiel ihr ein, dass sie ja noch aufs Boot klettern musste. So müde hatte sie sich noch nie zuvor gefühlt. Sie fror, alles drehte sich jetzt, und plötzlich wurde das schwarze Wasser, zu einem Schlund, der sie hinwegsog und verschlang. Der letzte Gedanke, der Annabels Kopf durchzog wie ein Schleier, war: So ist es also zu sterben.
49
Shane erwachte mit einem Kater. Der Tag würde eine Tortur werden.
Ausgerechnet heute
stand am Abend auch noch Jacks Welcome-back-Party bevor.
Er zwang sich zu Kaffee und Eiern
mit Toast.
Anschließend nahm er ein Taxi zu seinem Wagen, der noch vor der Bar parkte,
stieg
ins Auto, ließ die Scheibe herunter und versuchte, so viel Sauerstoff wie möglich einzuatmen . Sein Magen rebellierte, sein Kopf dröhnte und sein Blut kochte in den Adern . Er hätte sich Regen gewünscht, Regen und eine kühle Brise. Stattdessen brannte die Sonne gleißend hell vom Himmel.
„Morgen!“, rief Tamara vom Schreibtisch worauf er zurückbrummte. Sie sah vielleicht ein bisschen müder aus als sonst, aber von Kater keine Spur. Wie macht sie das bloß, sie hat doch sicher fünf Gin Tonics gehabt.
„Gut nach Hause gekommen?“, fragte er betont beiläufig und ließ sich hinter seinen Schreibtisch fallen.
„Mhm. Und du?“ Sie sah angestrengt auf ihren Computer – und nicht ihn an, stellte er fest. Sicher war ihr der Abend peinlich, das mit dem Angriff und so ... dachte er und musste innerlich ein bisschen grinsen.
„Ja , ja, bestens.“ Und dann berichtete er ihr knapp von Gregors Informationen über Amann.
„Ich stöbere gerade ein bisschen im Internet“, sagte Tamara. „Scandalburg gibt es nicht. Vielleicht schreibt man es ja mit SK. Hier: Skaldendichtung: altnordische Literatur, Skagway: Stadt in Alaska. “
„Hm“, machte er. „Vielleicht ist die Tätowierung doch ´ne Jugendsünde, wie Himmelr eich gemeint hat - Erinnerungen an ein Zeltlager, ´ne Musikgruppe, ´en Musikfestivel ...“
„So was wie Woodstock?“, fragte Tamara über den Rand ihres Monitors hinweg. „Ich weiß nicht. Hier: Skamander: polnische Dichtergruppe, Skamandrios ... Skanda: indischer Kriegsgott . “ Skagerrak:
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