Todesriff
auf dem Wasser hinterließ.
Woher hatte Steve das Foto? In den Fotoalben hatte sie keine Aufnahme gefunden, auf der sie genauso aussah. Vielleicht war das Foto drei, vier Jahre alt. Wollte man sie wirklich umbringen? Aber warum? Oder bildete sie sich alles nur ein? Warum sträubte sie sich, Greg ins Vertrauen zu ziehen? Je mehr sie nachdachte, desto verwirrender wurde alles. Sie hatte sich in einem Labyrinth von Ängsten, Vermutungen und Beobachtungen hoffnungslos verirrt.
Das Schrillen der Türglocke nahm sie zuerst gar nicht richtig wahr. Doch als es wieder und wieder klingelte, schälte sie sich endlich
aus dem Bettlaken
,
schaltete Licht an und ging zum Eingang. Plötzlich kam ihr der Gedanke, dass da draußen ihr Mörder stehen könnte, der jetzt endlich das vollenden wollte, was ihm am Morgen mit dem Wagen nicht gelungen war.
„Hallo? ”
„ Greg! Um Himmels willen, mach endlich auf!”
Die Antwort löste in ihr gleichzeitig Erleichterung und Enttäuschung aus. Insgeheim hatte sie Steve erwartet.
„ Ich dachte schon, es wäre dir was passiert!” Greg drängte sich an ihr vorbei und
schaute sich im Zimmer um.
„ Ich habe mir Sorgen gemacht, nachdem ich die Geschichte mit dem Auto und dem Föhn gehört habe. Gut, dass du die Po liz ei verständigt hast!” Er
öffnete
die Verandatür und sah hinaus.
„Woher weißt du das?”, fragte sie misstrauisch.
„ Ich habe Annie getroffen, sie
war
völlig aufgelöst.”
Annabel ließ sich auf die Couch fallen. „Suchst du was?“
Er ließ sich in den Sessel fallen und stöhnte. „
Annabell, d
u s olltest einige Zeit verreisen. Ich mache mir ernsthaft Sorgen.”
Als sie noch immer schwieg , sah er auf seine Armbanduhr. „ Gleich werden Nachrichten gesendet, du musst sie dir ansehen.” Mit der Fernbedienung schaltete er den
Fernseher an. Nach einem Werbeblock meldete sich die Nachrichtensprecherin.
„ Im Fall der beiden Ermordeten in Brisbane sucht die Po liz ei noch immer nach diesem Mann, dem mutmaßlichen Täter.” Ein Phantombild wurde eingeblendet. Es zeigte einen
dunkelhaarigen
Mann mit Vollbart und Geheimratse cken. „ Es handelt sich
höchstwahrscheinlich
um einen Deutschen, Schweizer oder Österreicher. Er ist mit einem roten Toyota Land Cruiser unterwegs. Die beiden Ermordeten sprachen mit einem ähnlichen Akzent wie ihr mutmaßlicher Mörder. Beide Opfer
haben
am Oberarm eine Narbe, die wahrscheinlich von einer entfernten Tätowierung stammt. Hinweise nimmt jede Po liz eidienststelle entgegen.”
Die Moderatorin wandte sich einem anderen Thema zu, und Greg schaltete ab.
„Und?“
Annabel war
blass
geworden. Die Narbe ... War ihr an Steves Oberarm nicht eine glühend rote Stelle aufgefallen? Hatte Greg die rote Stelle an Steves Arm
auch
bemerkt? Betont gleichmütig sagte sie: „ Was und ?“
„ Na, der Akzent!”
Greg kam in Fahrt
. „ D
ieser
Steve spricht doch auch mit einem Akzent! Und er hatte eine Pistole! ”
Nach außen hin v öllig ruhig stand sie auf .
„Greg, hier spricht doch fast jeder mit Akzent. Und wenn er mich mit seiner Pistole hätte erschießen wollen, hätte er es einfach tun können.“
Ohne ein Wort stand er auf und ließ die Tür h inter sich zufallen. Sie schaute auf die schwarze Scheibe des Fernsehers.
48
Die Blätter der Bäume rieben gegeneinander, das Meer rauschte unverändert - aber die Zikaden hatten aufgehört zu zirpen. Von ihrem Schlafzimmerfenster aus blickte sie auf das im Mondlicht blitzende Meer. Seit einer Stunde lag sie wach im Bett. Sie hielt die Gedanken, die in ihr kreisten, nicht mehr aus.
Annabel setzte sich auf. Ihr war, als könnte sie durch die Wasseroberfläche hindurchsehen. Vor ihren Augen schwammen die Meeresbewohner, die erst nachts wach wurden, jagten, fraßen und sich fortpflanzten.
Schnell
stand sie auf, zog
T-S
hirt, Jogginghose und Sportschuhe an und verließ das Haus.
Zwanzig Minuten später betrat sie die Anemone , machte die Leinen los und ließ den Motor an. Die Schiffsschraube quirlte das schwarze Wasser. Langsam glitt die Yacht aus dem Hafen in den offenen Pazifik. In der Nacht hatte sie das Meer für sich. Da störten keine Touristenboote, keine Privatyachten ihre Wahrnehmung. Außer Annabel waren nur ein paar Fischer unterwegs. Der Mond legte eine schimmernde Spur aufs Wasser.
Nach einer halben Stunde Fahrt stellte Annabel den Motor ab. Die weiße Boje schwamm ganz nah vor ihr. Sie befestigte das Seil daran, zog den Neopren-Taucheranzug an und
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