Todesriff
sich auf ihren feinen Geruchssinn verlassen können. Sie erkannte Menschen oft an ihrem Geruch oder ihrem Parfüm wieder. Aber ihr fiel nichts auf.
Sie
zog die Leiter zum Speicher herunter und kletterte hinauf.
Die Kiste mit den Kuverts, in denen sie
alte
Fotos aufbewahrte, fand sie sofort.
Hektisch
blätterte sie die Fotos durch. Was sie dann entdeckte, schockierte sie so sehr, dass sie sich einen Moment setzen musste. Hastig stieg sie dann Leiter hinunter, griff zum Telefon und wählte Dr. Max Oppels Nummer in Sydney. Der Psychotherapeut betreute sie, seitdem sie als Jugendliche ihre tote Mutter gefunden hatte.
„ Tut mir Leid, Dr. Oppel ist für ein paar Tage weggefahren und ist telefonisch nicht erreichbar”, sagte seine Sprechstundenhilfe.
„ Aber es ist dringend!” Sie merkte, wie ihre Stimme
zitterte
.
Etwas drohte jeden Moment über ihr zusammenzustürzen.
„Tut mir schrecklich leid , er ist irgendwo in den Blue Mountains – mit dem Zelt. Wenn es sehr dringend ist, dann könnten Sie seine Kollegin ...”
Doch Annabel hatte bereits den Hörer auf die Gabel geworfen. In der einen Hand hielt sie das Foto aus dem Wohnwagen und in der anderen eines, das vor drei Jahren in Brisbane aufgenommen worden war. Es zeigte sie in exakt derselben Haltung, aber neben Eve - auf einer Gartenparty ihres Bruders. Fo tografiert hatte an diesem Tag kein anderer als Jonathan selbst.
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„ Das war eine Nacht!”, stöhnte Tom. „ Eine betrunkene Ehefrau hat ihrem Mann ein Messer zwischen die Rippen gestoßen. Der Mann lebt noch. Aber in der Wohnung sah es aus!” Tom strich über seinen Schnurrbart. „ Überall Essensreste, leere und halb leere Flaschen,
Kippen auf dem Geschirr
... Und die Kakerlaken konntest du flitzen sehen.” Er rieb sich die Augen und begann, seine Sachen zu packen.
Shane winkte ab. Er erinnerte sich an einen ähnlichen Fall vor ein paar Jahren: Eine Frau hatte ihren Ehemann mit einem Hammer getötet. Beide waren betrunken und arbeitslos gewesen. Tom war kurz nach dem Einsatz zusammengebrochen. Bei einer psychologischen Sitzung kam heraus, dass er als Kind mitangesehen hatte, wie sein Vater auf seine Mutter einschlug, bis sie sich nicht mehr rührte. Sie lag eine Woche auf der Intensivstation, hatte innere Blutungen
und bleibende Schäden
davongetragen. Damals war Tom sieben Jahre alt.
Tamara trat ein, und fast unmittelbar darauf riss Maree die T ür auf, wedelte mit einem Fax.
„
Gerade an
gekommen!”
Mit dem, was er nun zu lesen bekam, hatte Shane nicht im Mindesten gerechnet.
Detective Helmer aus Rockhampton hatte bei der Durchsicht des Ablagefachs einer erkrankten Kollegin eine Notiz entdeckt:
Ein Sanitäter hatte gemeldet, dass er sich erst im Nachhinein bewusst geworden sei, womöglich einen Mörder vor Augen gehabt zu haben. Er, der Sanitäter, habe bei Coles in Rockhampton einen Mann wegen eines Schwächeanfalls behandelt, der sich seltsam benommen habe. Er habe mit deutschem Akzent gesprochen, ein Küchenmesser umklammert gehalten und Ähnlichkeit mit dem Phantombild gehabt. Er habe jedoch keinen Pass bei sich gehabt und auch seinen Namen nicht genannt.
Die Nachricht hatte zwei Tage auf dem Schreibtisch der Kollegin gelegen.
Shane schlug mit der Faust auf den Tisch, sprang auf und riss sich die Halskrause herunter.
„
Wozu gibt
es Faxgeräte und Computer, wenn dann die Informationen in irgendwelchen Aktenkörben verschimmeln!”, schrie er so wütend, dass Tamara zusammen
fuhr
. Er griff zum Telefon und beauftragte Detective Helmer in Rockhampton, alle Videobänder, die in der Einkaufsmall an jenem Tag von den Überwachungskameras aufgenommen worden waren, zu sichern. Der Verdächtige müsse ja irgendwo zu sehen sein. Außerdem sollten sie mit der Befragung der Angestellten beginnen. Er werde die nächste Maschine nach Rockhampton nehmen.
„ Es ist ja wohl klar, dass ich mitfliege.” Tamara stand
ebenfalls
auf. S ie
nahm ihre Tasche
und warf sich ihr J ackett über. „ Aber du solltest dieses Ding da wieder anlegen! Mit solchen Verletzungen ist nicht zu spaßen.”
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„
Möchten Sie
Kaffee oder Tee?” Die Stewardess lächelte ihn an. Sie sah ihr ein wenig ähnlich , die auberginefarbenen Lippen .. . „ Kaffee oder Tee, Sir?”, wiederholte die Stewardess.
„ Tee”, brachte er heraus, und als sie ihm auf dem Tablett die gefüllte Plastiktasse reichte, hätte er am liebsten ihre Hand gestreichelt. Er nahm die Tasse, und sie lächelte
freundlich
.
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