Todesriff
alte Freundin, erwartete sie zum Lunch.
Annabel hatte kaum schlafen können. Heute Morgen, bei dem Telefonat mit ihrem Steuerberater, war sie so unkonzentriert gewesen, dass sie ihm kaum hatte folgen können. Und beim Einkauf vorhin im Supermarkt hatte sie ziellos den Einkaufswagen durch die Regalreihen geschoben. Sie konnte sich nicht mehr erinnern, was sie eigentlich hatte einkaufen wollen, und lud nach einer Stunde einen halben Einkaufswagen voller Lebensmittel in den Kofferraum, die sie in absehbarer Zeit nicht brauchen würde. Sojamilch und Müsli für das nächste Frühstück hatte sie vergessen.
Sie war völlig durcheinander.
„ Wie gut kennst du deinen Bruder?”, hatte St eve sie auf der Yacht gefragt. „
Vertraust
du ihm, wie man einem Bruder
vertraut
?”
Sie musste einen Moment darüber nachdenken, erinnerte sich an die Momente, in denen sie ihn gehasst hatte, an die Lügen, die er erzählt hatte, um vor den Eltern besser dazustehen als sie, an seine Art, mit Freundinnen umzugehen, an die Auseinandersetzungen wegen des Erbes, weil er fest davon überzeugt gewesen war, ungerecht behandelt worden zu sein.
„ Er will dich umbringen lassen.”
Annabel
versuchte sich einzureden etwas falsch verstanden zu haben.
„ Das sagst du nur, um von dir abzulenken! Und was hast du mit den beiden Ermordeten zu tun? Du hast eine Narbe wie sie!”
Er sah sie noch eine Weile an, irgendwie enttäuscht und dann wieder fremd und sagte dann tonlos: „ Wir sollten zurückfahren.”
„ Was?”,
schrie
sie a
n
. “ Wir sollten zurückfahren? Glaubst du, du kannst mir eine solche Ungeheuerlichkeit an den Kopf werden und dich dann einfach umdrehen und gehen?”
„ Ich habe dich vorher gefragt, ob du die Wahrheit ertragen kannst! ”
Sie lachte bitter.
„ Es ging dir doch gar nicht um die Wahrheit - es ging dir nur darum, mich zu verletzen! Ich glaube dir
kein Wort
, Steve! Ja, d u hast Recht, wir sollten zurückfahren! ” Sie stieg auf die Brücke, fuhr die Maschinen hoch, wendete und schlug den Kurs na ch Port Douglas ein. Die Tränen wischte sie wütend mit dem Ärmel ab.
Jonathan will mich umbringen lassen , mit diesem Satz war sie am Vorabend eingeschlafen und an diesem Morgen aufgewacht. Jetzt stand sie vor Kerries Haus, hinter dem sich der Regenwald erhob. Annabel seufzte. Sie hätte den Lunch absagen müssen, sie fühlte sich viel zu verwirrt. Doch es war zu spät.
Kerrie
winkte von der schatt igen Terrasse des auf Pfählen er bauten Hauses zu Annabel hinunter, um sie gleich darauf an der Treppe zu
innig
umarmen
.
Kerrie
sah sie aus ihren großen Augen mit den langen, geschwungenen, schwarz getuschten Wimpern
mitfühlend
an.
„ Um Himmels willen, Annabel, was ist nur los? Du wirst um ein Haar von Haien zerfleischt, und Jonathan fliegt fast mit seiner Yacht in die Luft! Das sind doch keine Zufälle!”
Kerrie
schüttelte den Kopf, der im Vergleich zu ihrem Körper , der zur Üppigkeit neigte, zu klein wirkte. Der Kurzhaarschnitt verstärkte diesen Eindruck noch. Doch
ihr
schien der Schnitt zu gefallen; sie trug ihr Haar seit Jahren so. Der Haarschnitt lasse sie jünger aussehen, behauptete sie.
Annabel lächelte tapfer. „Ach, reden wir von was anderem.“
Beim Salat mit Shrimps und Avocad o in Sherry-Mango-Dressing fing
Kerrie
wieder an:
„ Ich hoffe, Jonathan hat die Yacht gut versichert! Eve hat mi
ch
vor kurzem
angerufen
.” Sie reichte Annabel die Salatschüssel. Eve war Jonathans Frau.
Kerrie
hatte sic h, so vermutete Annabel, mit Eve angefreundet, weil Kerrie ziemlich berechnend sein konnte und es ihr wohl komfortabler und nützlicher erschien, a ls mit ihr verfeindet zu sein.
„ Jonathan muss wahnsinnige Steuern nachzahlen“, redete Kerrie weiter und Annabel machte nur „hm.“ Natürlich wusste Annabel davon. Bei der letzten Sitzung des Aufsichtsrates hatte sie es erfahren. Sie hatte versucht, mit Jonathan darüber zu reden aber er hatte nur abgewinkt und gemeint, es sei seine Sache.
„Der Arme!“ Kerrie seufzte. „ Ich hab einen wunderbaren Pinot Nero Frizzante im Kühlschrank.“ Annabel wollte ablehnen, aber da war Kerrie schon aufgestanden. Annabel erinnerte sich wieder, dass Kerrie damals sehr enttäuscht gewesen war, als Jonathan Eve und nicht sie geheiratet hatte.
„ Wenn Jonathan Pech hat, pfänden sie ihm nicht nur das Haus und das Auto, sondern er wandert auch noch für ein paar Jährchen ins Gefängnis. Ganz zu schweigen vom gesellschaftlichen
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