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Todesriff

Todesriff

Titel: Todesriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manuela Martini
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überquerte die Straße.

69
    Mira war im dritten Monat gewesen. Ihr gemeinsames Kind wäre im letzten Herbst zur Welt gekommen. Seiner Frau Jennifer hatte er von all dem nichts erzählt. Nichts von Mira und nichts von der Erschießung, die er überlebt hatte. Nur von seinen Albträumen, weil es sich nicht vermeiden ließ. Sie merkte, dass er nicht mehr schlafen konnte oder dass er, wenn er doch einmal einschlafen sollte, irgendwann hochschrak, schweißgebadet, manchmal schreiend, manchmal liefen ihm Tränen über das Gesicht. Sie hatten ihn zunächst beurlaubt, dann hatte er unbezahlten Urlaub genommen. Jennifer wusste nichts von dem unbezahlten Urlaub. Wenn er zurückkäme, wäre alles wieder gut. Er könnte wieder schlafen, er würde Jen nifer wieder lieben, und seine Kinder ... . Und Mira?
    Die Straßenschilder vor ihm kündigten Mackay an. Zum ersten Mal dachte er daran , dass Jennifer und den Kindern eine Reise durch Australien gefallen hätte.

70
    Wie e rleichtert fühlte sich Shane am Abend, als er die Schicht an Tom und Spencer übergeben konnte. Er übertrug ihnen damit auch die Verantwortung. Für die nächsten Stunden konnte er so tun, als ginge ihn das alles gar nichts an - die Morde, Phantombilder, falschen Aussagen, Theorien und Ungereimtheiten. Er fuhr mit dem Aufzug ins Erdgeschoss hinunter, passierte die Schranke und begab sich in die Garage.
    Er ließ sich, so gut es mit der Halskrause ging, auf dem Fahrersitz des Ersatzfahrzeugs, das man ihm nach dem Unfall zur Verfügung gestellt hatte, nieder und schaltete die Musik ein. Chet Bakers Trompete begleitete ihn auf dem Weg nach Hause. Er fühlte sich ausgelaugt und deprimiert.
    Er schloss sein Apartment auf, schaltete das Licht ein, dimmte es aber sofort, sodass alles in ein goldgelbes, warmes Abendlicht getaucht wurde. Es erinnerte ihn an Sommernächte mit Kim, an die Zeit, als sie ineinander verliebt gewesen waren und noch nicht den Respekt voreinander verloren hatten. Im CD-Player lag immer noch die Miles-Davis-Scheibe. Er drückte auf Start , schob die Verandatür auf und ging in die Küche, wo er sich einen Whisky auf Eis eingoss und gleich die Eiswürfel im Gefrierfach nachfüllte. Dann kehrte er zurück ins Wohnzimmer, zog Schuhe und Strümpfe aus, schob den bequemen Ledersessel an die Verandatür, warf sich hinein und sah durch die Stäbe der Brüstung den schwarzen, glitzernden Fluss, auf dem sich der mit Lichterketten behangene Raddampfer flussaufwärts schaufelte. Sein Handy riss ihn aus der gerade aufkommenden Ruhe.
    „Lewis hier. Ich hab auf deinen verfluchten Anruf gewartet.“
    „Du wolltest mich doch anrufen.“
    „Wirklich?“
    „Ja! Also, was gibt’s?“
    „Es geht um dieses Motel, du weißt schon, in dem dieser Goran Hentschel angeblich gewohnt hat.“
    Und dann berichtete Lewis.
    Am Nachmittag hatte er erfahren, dass die damalige Besitzerin des Lagoon, eine gewisse Mary Fisher das Motel vor neun Monaten an einen griechischen Restaurantbesitzer verkauft und ein neues Motel oben im Daintree Nationalpark, nahe am Cape Tribulation, übernommen hatte.
    „Tut mir leid, dass ich nichts konkreteres habe“, sagte Lewis. „Aber wenn du meine Meinung wissen willst, ich glaube, diese Fisher hat sich ihren Gast wahrscheinlich gar nicht genau angesehen. Vielleicht hat sie auch eine Aushilfe beschäftigt, die die Anmeldung entgegengenommen hat – eine illegale Aushilfe vielleicht sogar – und dann im Leichenschauhaus hat sie einfach ja gesagt.“
    „Hm, danke Lewis. Ich denk drüber nach.“
    „Tu das. Ich vertret mir noch ein bisschen die Beine und hau mich dann aufs Ohr. Komm bald mal wieder vorbei, Shane .“
    Als er auflegte, dachte er, entweder hat Lewis Recht, oder die Motelbesitzerin, diese Mary Fisher, hat sich von den Kleidern und dem Schlüsselanhänger in die Irre führen lassen und sich bei der Identifizierung getäuscht - oder aber sie hat bewusst gelogen. Er sah noch einen Moment auf den Fluss aber dann konnte er die Ruhe nicht mehr ertragen.

71
    Nach fünfzehn Kilometern, vorbei an den gepflegten Grünflächen und Golfplätzen der palmenumstandenen Motels von Port Douglas, vorbei an gelbgrünen Zuckerrohrfel dern, steuerte sie ihren Ford Mustang nach rechts in eine Seitenstraße, die sich zwischen den Stangen des Zuckerrohrs zunächst gerade dahinzog, um sich dann in zwei schmale Straßen, die nicht mehr geteert, sondern nur noch mit Schotter befestigt waren, zu gabeln. Es war kurz vor ein Uhr Mittag.
Kerrie
, eine

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