Todesritual: Thriller (German Edition)
angegriffen?«, fing Benny an und hielt inne, um tief durch die Nase einzuatmen. Er schluckte. Atmete aus. »Er … er ist gefunden auf der Straße. Er tot, Max. Er tot .«
Max starrte auf den Bildschirm, sah den Barmann sprechen, er erkannte die Stimme nicht wieder, verstand kein einziges verdammtes Wort.
»Ich war es nicht«, teilte er dem Fernseher mit.
»Was soll das heißen, du warst es nicht? Du hast ihn geschlagen.«
»Er war am Leben, als wir abgehauen sind.«
»Der Reporter sagt, er tot.«
»Du hast es gesehen. Ich habe ihn geschlagen, ihn umgehauen. Ja. Aber ich habe ihn nicht umgebracht.«
»Ist nicht, was die sagen. Die sagen, du hast ihn umgebracht.« Benny zitterte.
»Was?« Max war fassungslos, noch immer halb im Schlaf, noch immer im Traum, seine Gedanken arbeiteten langsam, während er versuchte zu verstehen.
Bennys Unterlippe zitterte.
»Verstehst du Spanisch?«
»Nein«, sagte Max. »Was sagt er?«
»Er sagt Beschreibung – von mir und dir.«
Jetzt war wieder der Reporter im Bild, ein junger Mann in strahlend weißem Hemd mit schwarzer Krawatte. Er stand an der Einmündung der Straße, ein gutes Stück hinter ihm sah man die Polizei bei der Arbeit. Die Kamera zoomte auf einen Mann, der mit Besen und Kehrblech den Rinnstein fegte. In der Nähe lag unter einem weißen Laken eine unförmige Gestalt.
»Die Polizei sucht nach uns, Max. Die sagen, sie suchen nach … nach …« Benny hörte zu. »Nach weißem Mann, Tourist, groß und ohne Haar, breiter Körper und – oh nein! Oh Scheiße!«
Auf dem Bildschirm erschien ein Gesicht. Schwarz-weiße Verbrecherfotos, von vorn und im Profil. Es war Benny, vielleicht zehn Jahre jünger, der leicht in die Kamera lächelte.
»Das bin ich«, sagte er.
»Ach was.«
»Die haben mich verhaftet, als Pilar weg war.«
»Wissen die, wo du wohnst?«
»Nein, ich bin hier nicht offiziell. Aber bald werden sie wissen.«
Max zog das Telefon aus der Tasche, um Rosa Cruz anzurufen. Er drückte auf den Einschaltknopf. Nichts passierte. Er starrte auf ein schwarzes Display. Das Telefon war tot. Er nahm den Akku heraus, legte ihn wieder ein und versuchte es erneut. Immer noch tot.
Trotz der Lautstärke des Fernsehers hörte er im Treppenhaus Menschen, Türen auf- und zugehen, Kinderstimmen. Durch die Wände und die Decken und den Fußboden hörte er Unterhaltungen. Von der Straße drangen Hahnenschreie herein, Verkehrslärm, Pferdegetrappel und Gelächter.
Der Mann hatte noch gelebt, als er ihn zurückgelassen hatte. Wann war er gestorben? Max versuchte sich zu erinnern, ob er den Schädel hatte krachen hören, als der Mann zu Boden gegangen war. Hatte er nicht, aber so etwas konnte in der Hitze des Augenblicks untergehen. Er versuchte sich das Gesicht des Mannes in Erinnerung zu rufen. Weiter als bis zur Farbe seiner Augen und dem Schnauzer kam er nicht.
»Wir können das alles erklären«, sagte Max. »Der Mann hat dich angegriffen, hat dich mit einem Rasiermesser verletzt. Er wollte dich umbringen. Du kannst zur Polizei gehen und alles erklären. Die sehen ja dein Gesicht. Die werden das verstehen.«
»Max«, sagte Benny. »Hier nicht Amerika. Ich homosexuelle Prostituierter in Frauenkleider. Die vielleicht sogar wissen, wir die Wahrheit sagen, aber spielt keine Rolle. Ich schuldig. Du americano , Feind, du töten cubano . Du schuldig. Wir, du und ich, wir schuldig.«
Max wollte diesen Albtraum auf der Stelle verlassen. Aber Benny kannte seinen Namen und seine Nationalität. Die kubanische Polizei würde nicht lange brauchen, ihn zu verhaften.
Er musste Cruz kontaktieren. Ihr die Lage erklären. Ihr zu verstehen geben, dass es ein Unfall gewesen war. Er hatte den Mann nicht umbringen wollen. Es war Notwehr gewesen. Und außerdem, wie zum Teufel sollte er Vanetta Brown finden, wenn er im Knast saß?
»Was machen wir jetzt?«
»Was meinst du mit wir ? Ich verschwinde.«
»Du gehen?«
»Ja, ich gehe. Tut mir leid, aber ich kann mich da nicht mit reinziehen lassen.«
»Was? Du bist reingezogen. Du hast den Mann getötet! Ist deine Schuld!«
»Ich hab dir das beschissene Leben gerettet. Gern geschehen!«
In den Nachrichten waren Luftaufnahmen des Malecón zu sehen. Eine lange Schlange stehender Fahrzeuge zog sich, in der Sonne schmorend, am Meer entlang. Dann, wieder auf dem Boden, Aufnahmen von einem Polizisten, der mitten auf der Straße stand und den Verkehr regelte. Langsam umkurvten die Autos den Grund des Staus: eine von vier Streifenwagen
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