Todesritual: Thriller (German Edition)
das sich über seine Wange zog.
»Verdienst du viel Geld?«
»Mehr als die Arzt, die mein Gesicht gemacht hat.«
Max musste lachen.
»Ist Meeyami eine gute Stadt für Homosexuelle?«
»Klar, Miami ist sehr offen. Du kannst machen, was du willst, und keiner stört sich dran, solange du ihn in Ruhe lässt. Und wie ist es, in Kuba schwul zu sein?«
»Ist nicht einfach, ist kein Spaß. Kennst du Fidel?« Benny tat, als spucke er auf den Fußboden. »Er mag Homosexuelle nicht. Und die Kubaner, viele, sind nicht tolerant. Kuba ist ein kleines Land, mit kleinem Geist. Die Leute denken, wir haben ein medizinische Problem. Die finden uns ekelhaft. Pervers.«
»In Amerika ist es in vielen Gegenden genauso«, sagte Max.
»Hast du einen homosexuellen Freund?«
»Nein.« Max dachte nach. Es hatte sich einfach nicht ergeben, dass er sich mit einem Homosexuellen angefreundet hätte. In seiner Jugend war er regelrecht homophob gewesen. Nicht dass man das damals, vor den Zeiten politischer Korrektheit, so genannt hätte. Schwuchtel hier, Schwuchtel da. Das Schwulenviertel San Franciscos hieß Castro. Eine aktive Abneigung gegen Schwule hatte er nicht gehabt. Er hatte nie einen Schwulen beleidigt oder gar verprügelt, und der Anblick von zwei Händchen haltenden oder sich küssenden Männern hatte ihn nie sonderlich aufgebracht, aber er hatte immer über Schwulenwitze gelacht und auch selbst viele erzählt. Männergerede in der Umkleide. Alle seine Freunde waren so gewesen. Erst als er Mitte der Siebzigerjahre anfing, in Discos zu gehen und sich für Musik zu interessieren, war aus seiner passiven Intoleranz eine unbestimmte und ebenso passive Akzeptanz geworden. Nicht die bescheuerten Sechziger mit ihren Hippies, die von Frieden und Liebe schwafelten, weil sie zu breit waren, um aufzustehen und sich was anzuziehen, sondern die Disco-Ära war die einzige Zeit gewesen, in der sexuelle und Rassengrenzen eingerissen worden waren: Schwarze, Weiße, Schwule und Heteros hatten Seite an Seite zur gleichen Musik getanzt. Lange hatte es nicht angehalten.
»Wenn ich war fünfzehn, war ich … wie sagt man … afeminado ?«
»Feminin? Ein Mann, der ein bisschen wirkt wie eine Frau?«
» Exactamente . Und weißt du, was die mit mir machen? Die Regierung? Die schicken mich in die Sierra Maestra, in die Berge. Ein Konzentrationslager für Homosexuelle. Die glauben, aus Homosexuelle können sie machen heterosexuelle Macho. Pendejos estúpidos ! Und weißt du, was die mit mir machen, damit ich hetero sexuell werde? Erst reden reden reden reden reden. La homosexualidad es una perversión burguesa. La homosexualidad es contra La Revolución. La homosexualidad es una invención imperialista. Dann kriege ich Elektroschocks an den Kopf, wie ein Verrückter. Zwei Monate lang Elektroschocks an den Kopf und reden reden reden ins Ohr.«
Max war nicht weiter überrascht. Genau das Gleiche war in Amerika geschehen – und geschah weiterhin. »Wie viele waren da?«
»Viele, Männer, Frauen, Jungs und Mädchen. Fünfzig, sechzig Leute«, sagte Benny. »Ich musste mit Axt Bäume fällen und Steine schleppen. Die ganze Zeit, jeden Tag. Heterosexueller Mann mit fünfzehn Kindern kann nicht tragen die Steine, die ich getragen habe! Aber ich habe getragen die Steine. Weil ich sie hassen . Hass macht mich stark. Und ich bin homosexuell geblieben. Fidel, der kapiert gar nichts. Er glaubt, er kann verändern die Natur. Er glaubt, er ist Gott. Er glaubt, er kann Meer zurückweichen machen. Arschloch.«
»Und wie haben die entschieden, wann du ›geheilt‹ warst?«
Benny wollte lachen, zuckte aber zusammen vor Schmerz. »Weißt du, die sind so dumm. Die machen homosexuelle Mann und lesbische Frau vögeln zusammen. Und filmen das. Fidel macht Porno. Und der Leiter von dem Lager sagt: ›Ihr beide seid heterosexuell! Glückwunsch! Viva Fidel! ‹
Als ich rauskomme, habe ich ein ›normale Leben‹ geführt. Ich habe Arbeit gekriegt, ich war Koch in Hotel. Und ich habe geheiratet.«
»Geheiratet?«
» Sí . Normale Leben, weißt du. So wie du. Meine Frau hieß Pilar. Sie war die Lesbe, die ich gevögelt habe in dem Lager. Wir haben ein Arrangement. Sie macht ihr Ding heimlich, ich mache mein Ding heimlich. Viel heimlicher Sex. Ist okay, heimlich.«
»Was ist aus ihr geworden?«
»Sie hat Kuba 2000 verlassen. Pilar war Tanzlehrerin und durfte für eine Show nach Nicaragua reisen. Von Nicaragua ist sie nach USA gegangen. Heute lebt sie in England. In
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